Glanz
grinsen.
Ich weiß nicht mehr, warum ich damit angefangen habe, Erics Computerspiel zu spielen. Vielleicht wollte ich ihm nur ein bisschen nah sein, wollte sehen, was er gesehen hatte in den unzähligen Stunden, die er damit verbrachte, bevor es geschah. Ich weiß noch, wie er gemault hatte, dass er seinen Laptop nicht mitnehmen durfte, als wir in das verlängerte Wochenende fuhren. Und wie fröhlich er war, als er nach ein paar Stunden nicht mehr an seine virtuelle Welt dachte.
Das Spiel füllte die Leere in mir irgendwie aus, so wie heißes Wachs eine Kerzenform füllt. Es war, als steuerte nicht ich den griechischen Helden in dieser grausig-schönen Welt voller Monster, sondern als sei er es, der mich führte.
Wahrscheinlich hat Maria gedacht, dass das Spiel mir helfe, über Erics Tod hinwegzukommen. Aber das stimmte |392| nicht: Das Spiel half mir, zu verdrängen, mich vor der Wahrheit zu verstecken. Nur wenn ich etwas essen musste oder duschen oder schlafen, stürzte die Realität auf mich ein, der Verlust, die schreckliche Stille. Deshalb versuchte ich, Essen, Schlafen und Duschen zu vermeiden.
Vor allem mied ich Maria. Ich sah sie niemals an, reagierte nicht auf ihre Worte oder Berührungen. Es tut weh, diesen Gedanken zu denken, aber ich weiß, dass ich mir damals wünschte, nicht Eric, sondern sie wäre gestorben. So sehr habe ich ihr gegen alle Fakten die Schuld an seinem Tod gegeben, und vielleicht auch daran, dass ich noch lebte.
Erst jetzt wird mir klar, dass ich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht habe, wie sie sich fühlen musste. Sie hatte ihren Vater und ihren Bruder verloren, und ihre Mutter hatte sie ebenfalls verlassen. Meine Schwester Emily kam manchmal vorbei, um ihr zu helfen und mit mir zu sprechen, doch ich habe ihr nicht zugehört. Die meiste Zeit war Maria allein mit mir, dem Zombie, in dem viel zu großen Apartment am Tompkins Square Park. Aber sie hat nicht aufgegeben, nicht aufgehört, um mich zu kämpfen.
Auch jetzt nicht.
Meine Augen füllen sich mit Tränen. Das ist schlecht, denn ich kann den Kopf immer noch nicht bewegen, und so fließen sie nicht richtig ab und füllen meine Augenhöhlen wie kleine Teiche, bis ich noch weniger erkennen kann.
»Doktor, sehen Sie mal! Sie weint!« Marias Stimme klingt so wie damals, als wir durch die verschneite Fifth Avenue gingen und sie zum ersten Mal einen verkleideten Weihnachtsmann sah. Sie beugt sich über mich, drückt mich, und ihre Tränen benetzen meine Wange. »Mom! O Mom, du kommst zurück!«
|393| Ein zweites Gesicht erscheint hinter ihr. Obwohl ich es nur unscharf sehe, kann ich die schmalen, eingefallen wirkenden Konturen und die blassen Augen erkennen. Für einen Moment frage ich mich, wer das ist: Dr. Ignacius? Der brennende Mann? Hades?
Ich will Ihnen doch nur helfen, Anna. Hat er diese Worte wirklich gesagt? Hat er sie so gemeint?
Der Doktor schiebt Maria sanft zur Seite. Er leuchtet mit einer kleinen Stablampe in meine Augen. »Mrs. Demmet! Können Sie mich hören?«
Ja, das kann ich, laut und deutlich. Nur habe ich keine Möglichkeit, ihm das mitzuteilen.
»Wenn Sie mich hören können, dann blinzeln Sie jetzt bitte zwei Mal hintereinander!«
Ich versuche es. Offensichtlich gelingt es mir, denn ich kann sehen, wie sich der schmale, verschwommene Strich, der sein Mund ist, zu einer dünnen, gebogenen Linie verzieht.
Marias Gesicht erscheint wieder in meinem Blickfeld, und ich glaube, ich kann erkennen, wie ihre Augen strahlen. »Oh, Mom!«, ruft sie, umarmt mich wieder und weint heftig an meiner Brust.
Wie gern würde ich sie jetzt umarmen, ihr sagen, wie sehr ich sie liebe. Und wie schlimm mein Verhalten ihr gegenüber auf meiner Seele brennt. Ob sie mir jemals verzeihen wird? Aber es scheint, als hätte sie es schon getan.
Wie lange liege ich hier schon? Ich weiß es nicht. Wachkoma, Apallisches Syndrom … die Worte ziehen durch meinen Kopf wie Gedankenblasen fremder Menschen. Ich muss sie irgendwie aufgeschnappt haben, während ich träumte.
Ein Gedanke durchzuckt mich: Was ist, wenn es noch nicht vorbei ist? Was, wenn auch das hier nur eine Trugwelt |394| ist, ein Gedankengebäude, eine Seifenblase der Phantasie, die jeden Moment zerplatzen kann?
Ich möchte Dr. Ignacius fragen, ob er wirklich da ist. Ob ich endlich aufgewacht bin. Aber was würde mir seine Antwort nützen? Und wenn es nicht so wäre – wenn wir beide am Ende nur Hirngespinste waren, Ausgeburten einer kranken
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