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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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habe dieser den Verstand verloren.
    »Los jetzt!«, brüllte der Neurologe.
    Swenson zuckte mit den Schultern. Er schob Erics leblosen Körper aus dem Raum.
    Immer noch benommen setzte ich mich auf. Die fremden Menschen standen immer noch da und murmelten Worte, die wie Latein klangen. Es waren mindestens ein Dutzend. Sie hatten die Kapuzen ihrer schwarzen Kutten über die Köpfe gezogen, so dass ihre Gesichter in tiefem Schatten lagen. Sie sahen aus wie Mönche aus dem Mittelalter, die in diesem Hightech-Untersuchungsraum völlig deplatziert wirkten. Wahrscheinlich waren es Mitglieder des Ordens der Suchenden nach der Heiligen Wahrheit. Was sie hier machten, war mir schleierhaft.
    Ich hatte keine Zeit, mich weiter mit ihnen zu beschäftigen. Ich stolperte hinter Swenson und Ignacius her zum Aufzug. Emily folgte mir. »Ich … ich kann ihn nicht mehr spüren«, sagte sie.
    »Er ist da«, erwiderte ich. »Er muss da sein. Er muss!«
    Die Fahrt mit dem Fahrstuhl schien ewig zu dauern. Ich war mir sicher, dass Erics Herz bereits mindestens eine Minute stillstand. Wie lange konnte ein Mensch das überleben? Wann setzte der Zelltod aufgrund von Sauerstoffmangel ein?
    »Schneller, verdammt«, brüllte Dr. Ignacius. Swenson rollte das Bett den Flur entlang und hätte beinahe eine alte Frau umgefahren, die gerade aus ihrem Zimmer kam. Er riss die Tür mit den metallenen Ziffern 212 auf und schob Eric hinein. Atemlos blieben er stehen. »Und jetzt?«, fragte er.
    Ich ignorierte die Frage und trat neben die fahrbare Liege. Tränen verschleierten meinen Blick. Ich beugte mich über Eric und strich sanft mit der Hand über seine bleiche, kühle Stirn. »Bitte, wach auf«, flüsterte ich. »Ich weiß, dass du hier bist. Bitte, komm zurück!«
    Emily fasste mich an der Schulter. »Es hat keinen Sinn, Anna. Er ist …«
    In diesem Moment ging ein Ruck durch den jungen Körper. Er bäumte sich auf, als habe er erneut einen Elektroschock mit dem Defibrillator erhalten, dann sank er zurück auf die Liege.
    »Was, bei Gott, war das denn?«, fragte Swenson.
    Ich wusste es. Ich strich ihm erneut über die Stirn, die nicht mehr ganz so bleich und kühl zu sein schien.
    Eric drehte die Augen. Nur ein paar Millimeter, aber es war ein enormer Unterschied. Sein Blick war nicht mehr leer. Er sah mich!
    Ein unbeschreibliches Glücksgefühl durchströmte mich.
    Eric öffnete den Mund, als wolle er etwas sagen, doch es kam nur ein leichter Seufzer heraus. Er hatte so lange nicht gesprochen. Er würde es vielleicht erst wieder lernen müssen. Doch was machte das schon?
    Er war zurückgekehrt!
    Mein Blick verschwamm. Ich strich sanft über seine Wange, küsste seine Stirn. »Willkommen zurück, mein Sohn!«, sagte ich. Dann ließ ich den Tränen der Erleichterung freien Lauf.
    Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass ich nicht allein war. Das kleine Krankenzimmer war voller schwarzgekleideter Menschen. Ihre Köpfe waren gesenkt, und sie murmelten wieder unverständliche Worte – offenbar eine Art Gebet.
    Einer der Mönche trat vor und klappte seine Kapuze zurück. Darunter kam das feingeschnittene Gesicht eines weißhaarigen Mannes zum Vorschein. Er kam mir irgendwie bekannt vor.
    »Mein Name ist Jerry Wilson«, sagte er mit volltönender Bassstimme. Mir fiel ein, dass ich den Mann in einer Fernsehdebatte gegen Abtreibung gesehen hatte. Er war ein führender Politiker der Republikaner, soweit ich mich erinnerte. »Ich bin Abtprior des Ordens der Suchenden nach der Heiligen Wahrheit«, fuhr er fort. »Im Namen der Bruderschaft möchte ich Ihnen danken, Mrs. Demmet. Heute ist ein großer Tag für unseren Orden, für die Christenheit, ja für die ganze Menschheit!«
    Ich sah ihn verständnislos an. »Wie meinen Sie das?«
    Er lächelte. »Uns ist heute ein neuer Blick auf Gottes Werk zuteilgeworden. In Seiner unendlichen Gnade hat Er uns etwas offenbart, das unsere Herzen mit Jubel erfüllt! Unserem Bruder Dr. Ignacius ist die wissenschaftliche Bestätigung einer der wichtigsten Grundlagen des christlichen Glaubens gelungen: Er hat heute die Existenz der menschlichen Seele bewiesen! Diese Entdeckung ist in ihrer Bedeutung vergleichbar mit Einsteins Relativitätstheorie oder Plancks Quantenphysik. Die Fundamente der Wissenschaft sind neu gelegt worden. Und Sie, Mrs. Demmet, sind gemeinsam mit Ihrem Sohn und Mrs. Morrison die Schlüsselfiguren dieser Offenbarung. Sie sind von Gott, unserem Herrn, gesegnet!«
    »Sie … Sie glauben, Sie haben die

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