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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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abgestandenen Wassers und ein paar getrocknete Früchte mitgegeben. Ich wusste, dass dies vermutlich ein wesentlicher Teil seiner verbliebenen Vorräte war, aber er bestand darauf, dass ich sie nahm. Ich willigte schließlich ein, denn ich wusste, dass er und seine ganze Welt aufhören würden zu existieren, sobald die Suche beendet war.
    Während ich den Weg entlangging, stieg die Sonne höher, und es wurde unerträglich warm. Das schwarze Gewand klebte an meinem Körper. Ich bekam schrecklichen Durst, war jedoch lieber sparsam mit dem wenigen Wasser, das ich bei mir hatte. Ich tröstete mich mit dem |173| Gedanken, dass mein realer Körper ausreichend mit Flüssigkeit versorgt war.
    Ich traf keinen einzigen Menschen auf meinem Weg. Hin und wieder kam ich an vereinzelten Bauernhäusern vorbei, die jedoch alle verlassen zu sein schienen.
    Nach ein paar Stunden gabelte sich der Weg. Die Straße machte einen Knick nach Süden, während ein schmaler Pfad weiter nach Osten führte. An der Abzweigung stand ein Gasthaus, erkennbar an dem Holzschild neben dem Eingang. Die Tür war verschlossen, und auf mein Klopfen hin öffnete niemand. Ich überlegte einen Moment, ob ich der breiteren Straße nach Süden folgen oder den Weg Richtung Osten fortsetzen sollte. Ich entschied mich, die ursprünglich eingeschlagene Richtung beizubehalten, in der Hoffnung, dass der Alte recht hatte und das Schlachtfeld tatsächlich im Osten lag. So ging ich weiter über die staubtrockene graue Ebene.
    Die Sonne hatte ihren Zenit längst überschritten, als ich eine Ansammlung von großen gelblichen Pilzen bemerkte, die ein Stück abseits des Pfades wuchsen. Sie waren hüfthoch, mit dünnen Stielen und Hüten, von denen einige einen halben Meter durchmaßen. Sie gaben einen fremdartigen, aber nicht unangenehmen Geruch von sich, wie von einem exotischen Gewürz. Große schwarze Insekten summten um sie herum. Dies waren die ersten Zeichen von Leben, die ich seit längerer Zeit gesehen hatte.
    Als ich dem Pfad weiter folgte, traf ich immer häufiger auf Gruppen von Pilzen. Je weiter ich kam, desto höher wuchsen sie, so dass sie mich bald überragten. Schließlich verdichteten sich ihre Stängel und Hüte zu einem regelrechten Wald. Die schwarzen Fliegen summten überall herum, doch es gab auch große Spinnennetze zwischen den Pilzstängeln, und ich entdeckte kleine eidechsenartige |174| Reptilien, die an den Stämmen hinaufhuschten und mit ihren klebrigen Zungen nach den Insekten schnappten. Der fremdartige Geruch wurde intensiver.
    Ich fragte mich, aus welchem Computerspiel Eric die Vorlage für diesen Pilzwald hatte. Wohl kaum aus »Reign of Hades« – Riesenpilze passten eher in Grimms Märchen oder nordische Sagen als in die griechische Mythologie. Vermutlich waren sie in irgendeinem albernen Fantasyspiel vorgekommen. Möglicherweise musste ich jetzt jederzeit mit dem Auftauchen von Zwergen, Zauberern und feuerspeienden Drachen rechnen. In diesem Moment wünschte ich mir, dass die Entwickler, die sich diese Dinge ausdachten, einmal so wie ich mit den Ausgeburten ihrer kranken Phantasie konfrontiert würden – in einer fiktiven Welt, die dennoch so real war, dass Leben davon abhingen.
    Zum ersten Mal bedauerte ich beinahe, einen Sohn zur Welt gebracht zu haben. Wäre Eric ein Mädchen, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich auf einem rosa Pony durch eine Regenbogenwelt voller Blumen, Schmetterlinge und niedlicher Elfen unterwegs gewesen.
    Merkwürdigerweise löste dieser Gedanke einen tiefen, wehmütigen Schmerz in mir aus, so als hätte ich gerade etwas entdeckt, das ich lange vergessen hatte. Meine eigenen kindlichen Phantasien vielleicht.
    Die Pilze standen immer dichter, so dass sie bald den gesamten Himmel abschirmten. Die Schatten verdichteten sich zu einem dämmrigen Halbdunkel, in dem die riesigen Stämme hervortraten wie bleiche Knochen. Es wurde deutlich kühler und auch feuchter. Der Boden war jetzt mit Moos und Flechten bewachsen, und auch die Pilzstängel waren teilweise überwuchert. Bald war der Pfad überhaupt nicht mehr zu erkennen, und ich konnte |175| nur versuchen, grob die Richtung beizubehalten, was ohne die Orientierung durch die Sonne schwierig war.
    Immer häufiger stieß ich auf morastige Stellen, um die ich einen Bogen machen musste. Irgendwann begriff ich, dass es ein Fehler gewesen war, dem schmalen Pfad zu folgen. Ich beschloss umzukehren. Doch als ich mich umwandte, war ich plötzlich nicht mehr sicher, auf welchem

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