Glanz
Weg ich hierhergekommen war. Das Dickicht der Pilzstängel sah überall gleich aus.
Ich ging zurück in die Richtung, in der ich den Waldrand vermutete. Doch bald hatte ich das Gefühl, dass das Dach der Pilzhüte über mir eher noch dichter wurde. Gleichzeitig wurde es immer dunkler. Ich wusste nicht, ob es daran lag, dass ich tiefer in den Wald geriet, oder daran, dass inzwischen die Dämmerung eingesetzt hatte.
Panik befiel mich, und ich beschleunigte meine Schritte. Doch je schneller ich lief, desto mehr hatte ich das Gefühl, mich immer tiefer in diesem kranken Phantasiewald zu verirren und mich immer weiter von meinem Ziel, Eric, zu entfernen.
Schließlich blieb ich stehen und setzte mich auf den feuchten, weichen Boden. Ich hatte keine Ahnung mehr, wohin ich mich wenden sollte, und war drauf und dran, einfach hier sitzen zu bleiben und zu warten, bis die Wirkung der Droge nachließ und ich von selbst wieder aus Erics Traumwelt herauskatapultiert wurde. Aber das wäre gleichbedeutend damit gewesen, die Suche nach ihm aufzugeben.
Ich hatte diesen Gedanken kaum gedacht, als ich in der Ferne ein schwaches grünliches Leuchten wahrnahm. Ich stand auf und ging darauf zu. Nachdem ich ein paar dicke Pilzstämme umrundet hatte, entdeckte ich eine Ansammlung etwa mannshoher Pilze mit regenschirmartigen Hüten, |176| die in phosphoreszierendem Grün leuchteten. Darüber tanzten Lichtpunkte wie Funken über einem Feuer. Offenbar handelte es sich um so etwas wie Glühwürmchen.
Fasziniert und ermutigt von dem fremdartig schönen Schauspiel ging ich weiter. Die Leuchtpilze verschwanden hinter mir in der Dunkelheit, doch weiter vorn entdeckte ich erneut ein grünliches Licht.
Die phosphoreszierenden Pilze wurden häufiger, und bald war ich vollständig von ihnen umgeben. Ich wanderte durch eine phantastische Neonlandschaft, die futuristisch wirkte wie die Vision eines avantgardistischen Designers aus den sechziger Jahren. Es gab winzige Leuchtinsekten, aber auch große, in grellem Orange, Gelb und Blau leuchtende Schmetterlinge. Am Boden krochen unterarmlange Schlangen mit grün-roten Leuchtmustern. Auf einem niedrigen Leuchtpilz saß eine Art Frosch, der in blauem Licht unregelmäßig blinkte wie eine defekte Neonreklame. In dieser bizarren Welt schien ich das einzige Wesen zu sein, das nicht leuchtete.
Nachdem ich noch eine Weile weitergewandert war, öffneten sich dunkle Lücken in der phosphoreszierenden Vegetation, die immer größer wurden, bis wieder nur noch vereinzelte Inseln des Lichts zwischen den dunklen Stämmen glühten.
Die Finsternis des Pilzwaldes kam mir jetzt umso bedrohlicher vor. Meine Öllampe war in dem Krankenzimmer zurückgeblieben, in dem ich auf den brennenden Mann gestoßen war. Ohne Licht erschien es mir wenig sinnvoll, in der absoluten Dunkelheit weiterzuwandern.
Ohne Licht?
Ich ging zu einem Leuchtpilz in der Nähe. Er war ungefähr hüfthoch. Ich zog und zerrte daran. Der Stamm war dünn, aber sehr zäh. Dennoch gelang es mir nach einer |177| Weile, den Pilz abzubrechen. Ich hatte halb erwartet, das Leuchten würde in diesem Moment erlöschen. Doch es schien sich um eine chemische Reaktion zu handeln, die sich auch fortsetzte, wenn der Pilz von seinem Myzel abgetrennt wurde.
Ich legte ihn mir über die Schulter wie einen Regenschirm. Das Licht, das von ihm ausging, war trüb, aber es reichte, um die umliegenden Stämme und gelegentliche Tümpel im weichen Untergrund auszumachen. So wanderte ich weiter, ohne zu wissen, wohin genau ich ging.
Der Pilzwald schien kein Ende zu nehmen. Ich hatte das Gefühl, nicht Stunden, sondern Tage zu laufen. Andererseits, was bedeutete schon Zeit in einem Traum?
Das Leuchten des Pilzes nahm allmählich ab. Als das Glühen schließlich so schwach war, dass ich kaum den Umriss meiner Hand erkennen konnte, war ich immer noch von undurchdringlicher Schwärze umgeben. Mir blieb nichts anders übrig, als mich hier auf den feuchten Boden zu setzen und zu warten, bis es endlich Tag wurde.
Außer dem gelegentlichen Summen eines Insekts war es still. Bisher war ich auf keine größeren Lebewesen und auch kein Anzeichen von Gefahr gestoßen. Dennoch fühlte ich mich schutzlos.
Ich lehnte mich mit dem Rücken an einen Pilzstamm, dessen Oberfläche sich wie Hartgummi anfühlte. Ich schloss die Augen und versuchte zu schlafen, doch meine Phantasie spielte mir immer wieder Streiche. Hatte ich da nicht ein entferntes Knurren gehört? Schritte in der Nähe, im
Weitere Kostenlose Bücher