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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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den eisigen Fluten.
    Ich hörte ein dumpfes, grollendes Rauschen. Die Kristallwelt um mich herum verschwamm, als sei ich wirklich unter Wasser. Ich hatte das Gefühl vornüberzufallen, langsam und wie in Zeitlupe.
    |189| Aus dem Grollen wurden Schreie. Mein Blick klärte sich. Die Menschen und Monster um mich herum gerieten in Bewegung, als ob man einen Kinoprojektor, der angehalten worden war, wieder anlaufen ließe. Ich hielt den Schaft des Zentaurenspeers immer noch umklammert, als ich vornüber auf den von Blut schlammigen Boden stürzte. Der Speer verfehlte Eric und bohrte sich in den Grund. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie sich der Zentaur aufbäumte, die Vorderhufe über mir in den Himmel gereckt. Ich hörte seinen Wutschrei.
    Ich versuchte, mich zur Seite zu werfen, wusste jedoch, dass ich nicht schnell genug war, um den tödlichen Hufen auszuweichen. Doch der Schlag blieb aus. Stattdessen vernahm ich einen schauderhaften Schrei, und etwas Großes fiel neben mir zu Boden.
    Als ich mich umwandte, sah ich, dass Erik sein Schwert von unten in die Brust des Zentauren gerammt hatte. Blut quoll in einem dicken Schwall aus dem Pferdeleib. Ich hatte Erics Leben gerettet und er meins. Doch unser Glück war sicher von kurzer Dauer, denn um uns herum tobte die Schlacht unvermindert weiter.
    Er zog sein Schwert aus der Leiche des Zentauren und beugte sich über mich. »Göttliche Mutter! Wie … wie kommst du hierher?«
    Ich ließ mir von ihm aufhelfen, nur um mich im nächsten Moment unter dem Axthieb eines gehörnten Kriegers wegzuducken. »Wir müssen hier weg!«, schrie ich. »Über den Fluss!« Ich wusste nicht genau, warum, aber ich war mir sicher, dass das der einzige Weg für uns war.
    »Aber … göttliche Mutter …«, protestierte Eric.
    Ich hatte keine Zeit zu diskutieren. »Komm!«, schrie ich, packte ihn am Arm wie den kleinen Jungen, den ich immer von den Schaufenstern der Spielzeuggeschäfte |190| hatte wegzerren müssen, und zog ihn in Richtung des Ufers. Wie durch ein Wunder schafften wir es, zwischen den Kämpfenden hindurch dorthin zu gelangen, ohne in dem Wirbelsturm aus Äxten, Speeren, Schwertern und umherfliegenden Pfeilen verletzt zu werden.
    Von meiner Position am Abhang aus hatte ich einen guten Überblick über das Schlachtfeld gehabt. Ich wusste, dass es hoffnungslos war, zu versuchen, den Fluss über die Brücke zu überqueren. Mein Plan war, ins Wasser zu springen, bis in die Mitte zu schwimmen und mich ein Stück flussabwärts treiben zu lassen, bis die Armee der Monster außer Sichtweite war. Dann wollte ich am gegenüberliegenden Ufer an Land gehen und das Schlachtfeld weiträumig umgehen.
    Der Fluss war ungefähr so breit wie der Hudson River zwischen Manhattan und New Jersey. Für einen geübten Schwimmer war es kein Problem, ihn zu durchqueren. Doch im Unterschied zum Hudson war das Wasser hier schwarz und undurchsichtig wie Tinte.
    Im Schutz eines niedrigen Busches hockten wir uns nieder. Ich erklärte ihm in kurzen Worten meinen Plan.
    »Aber, göttliche Mutter, wir können doch nicht …«, begann er, doch wir hatten keine Zeit mehr, um seine Einwände zu diskutieren, denn in diesem Moment rannte ein gewaltiger, muskelbepackter Kerl mit einem Stierkopf auf uns zu. Seine Rinderaugen waren im Wahnsinn der Schlacht weit aufgerissen. Er schwang eine gewaltige doppelseitige Streitaxt über dem Kopf.
    »Eric, spring!«, rief ich und machte einen Kopfsprung ins Wasser.
    Ich wusste sofort, dass ich einen Fehler gemacht hatte, als sich die eisige Flut über mir schloss und mich eine mörderische Strömung unbarmherzig in die Tiefe zog.
    |191| Verzweifelt ruderte ich mit den Armen, doch in dem tintenschwarzen Wasser wusste ich nicht mehr, wo oben und unten war. Meine Lungen brannten, und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich kämpfte gegen den Reflex an, Luft zu holen, doch irgendwann konnte ich ihn nicht mehr unterdrücken. Meine Lungen füllten sich mit Flüssigkeit, die wie bitteres Öl schmeckte.

|192| 21.
    Ich fuhr hoch. Gierig sog ich kostbare Luft in meine Lungen. Mein Herz klopfte heftig.
    Verwirrt blickte ich mich um, einen Moment lang unfähig zu begreifen, dass ich nicht mehr in Erics Welt war. Ich saß auf dem Bett. Das Licht einer Straßenlaterne fiel durchs offene Fenster herein. Ich hatte einen bitteren Geschmack im Mund, und meine Kehle brannte, so als hätte ich tatsächlich das schwarze Wasser verschluckt. Mein Nachthemd war feucht, vermutlich vom Schweiß.
    Eric

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