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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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wirklich denkbar, dass der Arzt vorhatte, Eric umzubringen? Aber hätte er das nicht schon längst tun können? Nein, wurde mir klar – nicht, solange |204| Eric in der Faith-Jordan-Klinik lag. Erst in seiner Privatklinik war es ihm möglich, Erics natürlichen Tod vorzutäuschen, ohne dass ihm jemand auf die Schliche kam.
    »Aber … warum sollten die so was tun?«, fragte Maria. »
    Überlegen Sie doch mal«, antwortete Ricarda Heller.»Wenn mein Martin oder der Junge von Mrs. Demmet aufwachen würden, dann würden wir doch wissen wollen, woher sie die Droge hatten, oder? Es wäre eine Spur, die früher oder später zu den eigentlichen Drahtziehern führte. Jedenfalls, wenn mal jemand ernsthaft ermittelt. Doch ein Jugendlicher, der an einer Überdosis Drogen stirbt, erregt keine große Aufmerksamkeit. So was passiert täglich. Und die Jugendlichen, die nicht ins Koma fallen, haben ohnehin kein Interesse daran, über die Droge zu reden.«
    »Ehrlich gesagt fällt es mir schwer, Ihre Geschichte zu glauben, Mrs. Heller«, sagte Maria.
    Die Schriftstellerin nickte. »Das ist es ja gerade! Niemand glaubt mir. Ich zweifle ja manchmal selbst an meiner Theorie. Aber wenn Sie Ihr Kind kennen, so wie ich Martin kannte, dann wissen Sie, dass es niemals von selbst so etwas tun würde. Also muss es jemanden geben, der hinter der Sache steckt!« Sie wandte sich mir zu. »Mrs. Demmet, egal, ob Sie mir glauben oder nicht: Halten Sie Ihren Sohn von diesem Dr. Ignacius fern! Fahren Sie am besten mit Eric weg, an einen geheimen Ort, wo er Sie nicht findet! Wenn Ihr Sohn aufwacht, und ich bete jeden Tag dafür, dass das geschieht, dann werden Sie sehen, dass ich recht habe!« Sie holte aus ihrer Handtasche eine Visitenkarte. »Rufen Sie mich bitte an. Ich habe bereits die besten Anwälte auf diesen Fall angesetzt. Jeder Hinweis, den Sie uns liefern können, wäre hilfreich!«
    Ich nahm die Karte. »Gut. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Mrs. Heller!«
    |205| Sie stand auf. »Ich gehe jetzt besser. Ich vermute, dass sie mich beobachten. Ich wäre nicht hierhergekommen, wenn ich nicht gesehen hätte, dass Dr. Ignacius vor mir hier war. Seien Sie vorsichtig! Und viel Glück!«
    Sie wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort Emilys Wohnung.
    Eine Weile saßen wir zu dritt stumm um den Küchentisch und dachten über die ungeheuerlichen Dinge nach, die Ricarda Heller erzählt hatte.
    Maria brach das Schweigen als Erste. »Glaubt ihr diese Geschichte etwa?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Es klingt schon ziemlich weit hergeholt. Aber … ich hatte schon die ganze Zeit das Gefühl, dass etwas mit diesem Dr. Ignacius nicht stimmt.«
    »Ich denke, die arme Frau wird nicht damit fertig, dass ihr Sohn gestorben ist«, sagte Maria. »Sie hat einen massiven Schuldkomplex, weil sie nicht verhindert hat, dass er den ganzen Tag vor dem Computer sitzt und diese Droge nimmt. Weil sie damit nicht leben kann, hat sie sich diese abenteuerliche Verschwörungstheorie konstruiert. In der Psychiatrie gibt es eine Menge solcher Fälle.«
    Marias kühle Analyse war von einer bestechenden Logik. Empfand nicht auch ich selbst solche Schuldgefühle? Wäre es nicht auch für mich leichter gewesen, mit der Situation zu leben, wenn ich gewusst hätte, dass es da draußen irgendeinen Schurken gab, der für Erics Zustand verantwortlich war? Wenn die Verantwortung nicht bei mir lag? »Kann sein«, gab ich zu. »Aber was ist, wenn sie recht hat? Wir können das nicht sicher ausschließen, oder?«
    »Wenn es diese Verschwörung wirklich gibt, dann sollte diese Ricarda Heller damit zur Polizei gehen, meinst du nicht? Warum hat sie das wohl nicht getan?«
    |206| »Weil ihr niemand glauben würde. Man würde sie für verrückt erklären, mit genau den Argumenten, die du gerade benutzt hast. Je mehr sie mit ihrer Theorie an die Öffentlichkeit zu gehen versucht, desto unglaubwürdiger macht sie sich. Deshalb wendet sie sich direkt an andere Opfer, um sie zu warnen, und hofft darauf, dass ein anderes Kind aus dem Koma erwacht und aussagen kann.«
    »Und warum diese lächerliche Kostümierung mit schwarzem Schleier? Auffälliger geht es ja wohl nicht!«
    »Sie trauert eben, das ist doch nachvollziehbar.«
    »Also ehrlich gesagt, ich glaube, die Frau hat ein psychisches Problem, und zwar ein massives«, entgegnete Maria. »Ihre Theorie, ihre Maskerade und ihr theatralisches Auftreten hier passen perfekt zusammen. Willst du wirklich Erics Leben riskieren und ihm

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