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Glanz

Glanz

Titel: Glanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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das Tor des Lichts? War Eric bereits hindurchgegangen? Was würde geschehen, wenn ich ihm folgte?
    Ich betastete die Tür. Sie bestand aus demselben kalten, glatten Stein wie die Wände. Es gab keinen Öffnungsmechanismus, aber als ich leicht gegen die rechteckige Fläche drückte, ließ sich der Lichtspalt mühelos vergrößern.
    Geblendet schloss ich die Augen. Ich blinzelte, gab mir die Zeit, mich an das Licht zu gewöhnen. Dann trat ich hinaus.
    Es war heiß wie in einer Wüste. Ich konnte die Hitze des Sandes durch die Sohlen von Erics Sandalen spüren. Was ich sah, erschreckte mich.
    Vor mir erstreckte sich eine weite sandige Ebene. Soweit ich sehen konnte, war sie gefüllt mit rechteckigen Toren in allen möglichen Farben und Formen, manche aus Holz, andere aus Stein, Eisen oder sogar Silber und Gold, einige verziert mit Mustern oder Reliefs. Ein paar standen auf hohen Sockeln oder Podesten, zu denen Treppen hinaufführten. Die meisten hatten die Form und Größe ganz normaler Türen, dazwischen allerdings ragten auch einige von gigantischen Ausmaßen auf, während andere viel zu klein für Menschen waren.
    Ich drehte mich um. Auch die Tür, durch die ich eben gekommen war, war nur ein einzelner Rahmen in dieser Ebene der Tore. Ich sah die undurchdringliche Schwärze, durch die ich gefallen war, und schauderte. Angewidert |248| schob ich die Steintür zu. Jetzt fiel sie in der Masse der anderen Türen und Tore kaum mehr auf: ein schlichtes Portal aus poliertem schwarzen Stein, um das ich herumgehen konnte und das scheinbar nirgendwo hinführte. Probehalber öffnete ich es noch einmal, indem ich von der anderen Seite dagegendrückte, und blickte wieder in die Dunkelheit.
    Wohin ich auch schaute, ich sah nichts als Türen. Sie umgaben mich wie eine riesige, nicht zu Ende gebaute Stadt. Es mussten Tausende sein, wenn nicht Millionen.
    Hades’ gehässiges Lachen klang in meinen Ohren, als er Erics Frage nach dem Tor des Lichts beantwortete: »Es ist ganz in der Nähe. Ihr müsst nur durch die Tür hinter mir gehen, dann habt ihr es fast erreicht.«
     
    Auf der Ebene herrschte Stille. Nur ein leichtes Sirren vom Wind, der sich an den Kanten der Türrahmen brach, war zu hören. »Eric!«, rief ich, so laut ich konnte. »Eric!«
    Ich erhielt keine Antwort.
    Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder irrte mein Sohn irgendwo auf dieser endlosen Ebene umher und suchte das Tor des Lichts, oder er war durch eine der Türen gegangen. Ich zweifelte nicht daran, dass sie alle irgendwohin führten, auch wenn sie so nutzlos aussahen wie Mustertüren in einem Baumarkt.
    Ich sah mich um. Eine halbrunde, spitz zulaufende Tür in der Nähe sah besonders interessant aus. Sie bestand aus dunklem Holz und war mit Schnitzereien verziert, die eine Landschaft zeigten. Auf den ersten Blick sah das Relief aus wie eine Szene aus Afrika, doch die Nashörner im Vordergrund schienen zwei Köpfe zu haben, und die Bäume in der Ferne erinnerten an gigantische Pfifferlinge.
    Die Tür ließ sich mühelos aufdrücken und gab den |249| Blick in eine andere Welt frei. Vor mir erstreckte sich eine Ebene, die mit niedrigem, blauviolettem Gras bewachsen war. In der Ferne ragten einige der merkwürdig trichterförmigen Bäume auf, die in der Schnitzerei dargestellt waren, mit kahlen, fahlgelben Stämmen und ausladenden Kronen. Sie mussten über hundert Meter hoch sein. Nur einen Steinwurf entfernt stand ein Rudel der seltsamen doppelköpfigen Tiere. Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass sie keine zwei Köpfe hatten, sondern nur einen, der mit zwei ausladenden klammerartigen Scheren ausgestattet war. Damit wühlten die Tiere den Boden vor sich auf.
    Ich machte einen vorsichtigen Schritt durch die Tür und sah mich mit großen Augen um. Hinter mir ragten farnartige Gewächse auf, die in grellbunten Farben leuchteten, als seien sie einem Zeichentrickfilm entlehnt. Faustgroße insektenartige Wesen mit blauen, pelzigen Körpern schwirrten um mich herum. Von dieser Seite aus war die Holztür nicht zu sehen. Nur ein gebogener heller Spalt, durch den die Ebene der Tore zu erkennen war, durchschnitt den Farnwald wie eine Sinnestäuschung. Falls die Tür zufiel, gab es wahrscheinlich keinen Weg zurück.
    Rasch schlüpfte ich zurück durch den Spalt und schloss die Tür wieder.
    Neben der Holztür erhob sich ein etwa drei Meter hohes Tor. Ähnlich wie das zu Hades’ Palast bestand es aus dunklem glasigen Stein. Als ich meine Hand auf die glatte Oberfläche

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