Glanz
gefunden, göttliche Mutter! Ich dachte schon, diesmal hättest du mich endgültig verlassen.«
Ich löste mich von ihm und blickte ihm in die Augen, die so anders aussahen als Erics und doch seine waren. »Ich werde dich nie verlassen! Niemals, hörst du?«
Er nickte. »Jetzt, wo du wieder bei mir bist, kannst du mich sicher zum Tor des Lichts führen. Ich habe tausend Türen geöffnet, doch keine schien mir ins Licht zu führen, so wie das Orakel es prophezeit hat. Es sagte, ich würde das richtige Licht am Geschmack erkennen. Aber wie kann man Licht schmecken?«
»Ich weiß es leider auch nicht«, sagte ich. »Ich fürchte, wir werden weitersuchen müssen.«
»Dann lass uns gleich aufbrechen!«
»Moment noch. Ich hab dir etwas mitgebracht.« Ich öffnete die Reisetasche und gab ihm die Kleidungsstücke und die Turnschuhe.
Er betrachtete die Dinge ratlos. »Was ist das?«
»Was zum Anziehen. Du kannst deine Rüstung hier in die Tasche legen«, sagte ich. »Du wirst sehen, es ist viel bequemer so.«
Er legte die »Götterkleidung« ohne Widerspruch an. Ich half ihm, zeigte ihm, wie man einen Reißverschluss |290| benutzte, band ihm die Schuhe zu. Die Sachen passten ihm wie angegossen – ein gutes Zeichen, wie ich fand. Die Kleidung fühlte sich offensichtlich fremdartig für ihn an, denn er bewegte sich steif und unbeholfen. Aber er würde sich sicher bald daran gewöhnen. Vielleicht würde ihn das Gefühl vertrauter Kleidung der Realität ein Stück näherbringen.
Von neuem Mut erfüllt, kletterte ich die Stufen hinunter. Eric hatte sich die Reisetasche umgehängt, in der sich seine Rüstung befand. Den Schwertgurt trug er über der Jeans.
Gerade als ich von der untersten Stufe in den Sand sprang, merkte ich, wie mir plötzlich schwindlig wurde. Ich fühlte mich leicht, und die Welt schien zu verblassen.
»Nein!«, rief ich. »Nicht jetzt! Nicht, wo ich ihn endlich gefunden habe!«
»Göttliche Mutter!«, rief Eric erschrocken. »Was geschieht mit dir? Du wirst … durchsichtig wie ein Geist …«
»Bleib hier!«, rief ich ihm zu. »Egal, was geschieht, bleib hier! Ich komme wieder!« Dann wurde es schwarz um mich.
»Verdammt!«, rief ich und schlug mit der Faust auf die Bettdecke. »Verdammt, verdammt, verdammt!«
Emily sah mich blinzelnd an. »Reg dich nicht auf. Freu dich lieber, dass du ihn wiedergefunden hast! Und sei bitte in Zukunft etwas vorsichtiger, wenn du Türen öffnest. Ich hab mir fast in die Hose gemacht vor Angst, als du Eric als Zweijährigem begegnet bist.«
Ich ging nicht auf ihren milden Tadel ein. Sie hatte leicht reden. Ich war diejenige, die alle Entscheidungen treffen musste. Sie war nur Zuschauerin. Sie musste sich vorkommen wie ein Football-Fan vor dem Fernseher, der |291| aus seiner distanzierten Position heraus glaubt, alles besser zu wissen als die Spieler auf dem Platz. »Wieso hat es diesmal nicht länger angehalten?«, fragte ich. »Wieso waren wir nur so kurz in seiner Welt?« An meiner schlechten Laune merkte ich deutlich, dass die Kapsel nicht mehr wirkte.
»Ich nehme an, die Effektivität der Droge nimmt ab, weil eure Körper sich an sie gewöhnt haben«, kommentierte Maria. Sie saß an dem kleinen Esstisch, wo sie eines der Bücher gelesen hatte, die auf dem Regal über dem Kamin standen – offensichtlich ein Science-Fiction-Roman von einem Autor namens Philip K. Dick. »Das ist typisch für Drogen: Der Körper braucht immer mehr davon, um den richtigen Kick zu kriegen!«
Ich ignorierte den Vorwurf in ihrer Stimme und wandte mich an Emily. »Vielleicht sollten wir die Dosis erhöhen und beim nächsten Mal gleich zwei Kapseln nehmen.«
Sie sah mich erschrocken an. »Kommt nicht in Frage! Maria hat recht: Dieses Zeug ist gefährlich! Ich … ich spüre, wie meine Lust darauf immer größer wird. Das macht mir Angst!«
Ich stand auf und holte den Beutel mit den Kapseln aus meiner Jacke. Ich hielt ihr eine hin.
»Du … du willst doch nicht sofort wieder eine von diesen Dingern nehmen!«, rief Maria empört.
»Wir müssen wieder zurück!«, entgegnete ich.
»Das lasse ich nicht zu!«, sagte Maria.
»Das hast du überhaupt nicht zu entscheiden!«, erwiderte ich kühl.
Maria warf mir einen eisigen Blick zu, schwieg jedoch.
»Lass uns eine kleine Pause machen«, sagte Emily in dem Versuch, einen Kompromiss zu finden. »Die können wir beide gut gebrauchen.«
|292| »Aber er wartet dort auf mich!«, rief ich. »Wir können doch nicht riskieren, ihn
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