Glashaus
genauso.
»Was ist so wichtig?« Während er das Handtuch für mich aufhält, trete ich aus der Dusche.
»Ein Anruf«, murmelt er und versucht, den Blick abzuwenden, doch seine Augen huschen immer wieder zu mir hinüber.
»Aha. Von wem?« Er hüllt mich so ins Handtuch ein, als wäre ich ein zerbrechliches Gut, das er nicht berühren möchte. Mir läuft dabei ein Schauer über den Rücken, doch ich versuche, nicht darauf zu achten.
»Von Fer. Er und El haben was Schlimmes über Mick gehört und meinen, man müsse die Sache klären.«
»Was Schlimmes.« Während ich mich zu konzentrieren versuche, macht mich das Wasser auf meiner Haut plötzlich frösteln. »Schlimm? In welcher Hinsicht?«
»Ich glaube, es geht um Cass.« Ich spanne mich innerlich an. »Mick hat den beiden eine verrückte Geschichte erzählt. Angeblich hat Fiore mit Mick gesprochen, jedenfalls behauptet er jetzt, laut Fiore gelte hier drinnen eine gewisse Vorschrift, die besagt - wie hieß es doch gleich? -, seid fruchtbar und mehret euch . Man könne jede Menge Punkte sammeln, wenn man Kinder bekommt.«
»Klingt zwar schlimm, aber ganz nach Mick.«
»Na ja, das hat Fer auch gemeint. Aber dann hat Mick El erzählt, dass er sich diesen Bonus auf jeden Fall holt, ob Cass will oder nicht.« Sam klingt besorgt. »El wusste nicht genau, was Mick damit meint.«
Meine Gedanken rasen. »Cass war gestern nicht in der Kirche, Sam. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, wollte sie nicht reden - anscheinend hatte sie Angst.« Ich habe das unangenehme Gefühl zu wissen, was da vor sich geht. Viel lieber würde ich mir sagen lassen, dass ich falsch liege.
»Na ja, Fer hat mich angerufen, nachdem er mit El gesprochen hatte. Laut El hat Mick irgendwie darüber gewitzelt, dass er Cass die Fluchtversuche jetzt ein für alle Mal ausgetrieben hat. El wusste nicht recht, was er davon halten sollte, aber es klang nicht gut. Was geht da vor, Reeve? Was sollen wir tun, falls sich herausstellt, dass Mick Cass fesselt, wenn er zur Arbeit geht? Oder sie misshandelt?«
Für jemanden, der in einer Simulation der dunklen Epoche lebt, kann Sam manchmal herzzerreißend naiv sein. »Sam, weißt du eigentlich, was das Wort Vergewaltigung bedeutet?«
»Hab’s schon gehört«, erwidert er vorsichtig. »Allerdings dachte ich, dass die Täter mit dem Opfer nicht bekannt sind und es normalerweise auch umbringen. Glaubst du …?«
Ich drehe mich um. »Wir müssen unbedingt herausfinden, was da vor sich geht, und Cass rausholen, wenn sich unser Verdacht bestätigt. Die Zombies von der Polizei werden uns wohl kaum helfen, genauso wenig wie Fiore. Fiore ist sowieso ein Schwachkopf, das denkt selbst Yourdon.« Ich halte kurz inne. »Das ist wirklich eine böse Sache.«
Mich entsetzt der Gedanke an das, was Cass derzeit durchmachen mag. Außerdem kann ich mir gut vorstellen, wie manche aus unserer Schar reagieren werden, falls wir versuchen, Cass da rauszuholen. Vor dem letzten Sonntag wäre ich in dieser Hinsicht vielleicht noch optimistischer gewesen, doch inzwischen haben mich unsere Nachbarn eines Besseren belehrt. Sobald sie das Gefühl haben, ihre kostbaren Punkte könnten auf dem Spiel stehen, reagieren sie mit ungezügelter Brutalität. »Janis würde uns vermutlich helfen, aber sie ist krank. Vielleicht Alice. Angel hat Angst, wird aber wahrscheinlich mitmachen, wenn wir’s richtig bei ihr angehen. Jen … Jen will ich nicht dabeihaben. Wie sieht’s bei euch Männern aus?«
»Fer ist dabei«, sagt Sam schlicht. »Er findet die Sache auch widerlich. El eher nicht. Wahrscheinlich kann ich auch Greg, Martin und Alf zum Mitmachen bewegen, wenn ich mit ihnen rede. Dann hätten wir ein ganzes Team.« Er sieht mich seltsam an.
»Aber wir bringen niemanden um«, sage ich in warnendem Ton.
Er zuckt zusammen. »Nein! Auf keinen Fall. Aber …«
»Jemand muss herausfinden, ob wir richtig liegen oder ob Mick nur einen geschmacklosen Witz gemacht hat, nicht wahr?«
Sam nickt. »Stimmt. Wer?«
»Das übernehme ich«, erkläre ich, ohne mich auf eine Diskussion einzulassen. »Heute Abend. Ich zieh mich gleich an. Du kannst in der Zwischenzeit herumtelefonieren. Hol sie alle hier zusammen. Ich möchte erst abklären, wie wir vorgehen, ehe ich dort hingehe, dann gibt’s keine unangenehmen Überraschungen. Einverstanden?«
Er nickt und sieht mich wieder so merkwürdig an. »Sonst noch was?«
»Ja.« Ich beuge mich vor und küsse ihn flüchtig auf die Lippen. »Mach
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