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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Hexdumps bezeichnet hätten. Seiten über Seiten. Der Aktenkarton enthält schätzungsweise rund fünfhundert Blätter. Wenn auch all die anderen Aktenkartons ringsum solches Zeug bergen, dann habe ich vermutlich rund hunderttausend Blätter vor mir. Und jedes davon umfasst schätzungsweise zehntausend Zeichen. Was immer in diesem unglaublich ineffizienten Medium an Zahlen gespeichert ist, kann nicht besonders umfangreiches Material sein. Es mag hier so viel dokumentiert sein, dass es das Genom eines kleinen Säugetiers abdecken könnte, sofern alle redundanten Exons weggelassen sind. Jedenfalls kann hier kein menschliches Wesen kartiert sein, denn dann müsste das Material die drei- oder vierfache Menge umfassen.
    Ich schüttle den Kopf und verstaue den Aktenkarton wieder am alten Platz. Nach der oberen Staubschicht zu schließen, hat ihn schon ziemlich lange kein Mensch mehr angerührt. Ich weiß zwar nicht, was das für Zeug ist, aber ganz sicher sind Fiore und Yourdon nicht deshalb hierhergekommen. Bleibt die Falltür.
    Ich bücke mich, greife nach dem Messingring und hebe die Tür an. Sofort rastet die hölzerne Klappe im hinteren Scharnier ein und gibt den Weg auf eine Treppe frei, die nach unten führt und rechts und links durch ein hölzernes Geländer gesichert ist. Die Stufen sind mit einem Läufer überzogen. Okay, also gibt es unter der Bücherei einen Geheimkeller. Fast hätte ich vor Angst gekichert. Auf welchem Pulverfass habe ich während meiner Arbeit da oben gesessen?
    Selbstverständlich gehe ich nach unten. In Anbetracht dessen, was Fiore Phil und Esther angetan hat, bin ich wahrscheinlich so gut wie tot, falls sie mich im Archiv entdecken. Doch es ist nur konsequent, jetzt auch den nächsten Schritt zu tun.
    Die Stufen führen ins Zwielicht, aber nicht sonderlich weit hinunter: Der Fußboden befindet sich drei Meter unterhalb der Falltür. Unten drücke ich auf den Lichtschalter oberhalb des Geländers und sehe mich um. Und was stelle ich dabei fest? Ich befinde mich nicht mehr in der dunklen Epoche!
    Befände ich mich noch in jenem Zeitrahmen, wäre das hier ein moderiger Keller mit Backsteinwänden und einer holzgetäfelten Decke. Vielleicht wäre er auch mit Beton ausgegossen und durch Stahlträger abgestützt. Damals hatten sie noch keine große Erfahrung in der Nutzung nanokristalliner Strukturen von Diamanten. Sie ließen aus ihren Fußböden auch keine Zebrafelle oder ähnliche »natürliche« Beläge wachsen. Und sie verwendeten kurzlebige Glühbirnen, anstatt die Zimmerdecken mit Leuchtfarbe anzustreichen.
    Allerdings wirkt das Sofa, das hier unten steht, sehr retro. Sicher ist es schon irgendwann nach Besiedlung der Oort-Region und vor Gründung der ersten Republik der Bewahrer (der weitere folgen sollten) aus der Mode gekommen. Außerdem fällt mein Blick auf einige bizarre Sessel aus schwarzem Kunstharz, die den Skeletten von Insekten ähneln, wären Insekten metergroß und mit Wirbeln ausgestattet. Hm. Ich blicke kurz über die Schulter. Ja, falls Yourdon und Fiore sich hier unten, bei geöffneter Luke, ein mörderisches Wortgefecht geliefert haben, kann es durchaus bis zu mir am Empfang gedrungen sein.
    Weit beunruhigender finde ich das, was der Keller sonst noch birgt.
    Erstens ist da etwas, das meines Wissens ganz nach einem voll funktionsfähigen militärischen A-Tor aussieht. Es ist ein stummelartiger Zylinder, etwa zwei Meter hoch und zwei Meter breit, dessen glattes Gehäuse aus einem weißen, lichtundurchlässigen Panzer aus Carbonitrilen besteht. Gleich daneben ist auf einer erhöhten hölzernen Plattform ein besonders robustes Steuerpult angebracht. So etwas benutzt man beim Fronteinsatz, wenn die eigene Operation und das, was man herausballert, ferngesteuert wird, um jedes Mittel nutzbar zu machen, das einem den Arsch retten kann. Steht Plutonium zur Verfügung? Okay, dann kann man mit Kernwaffen angreifen. Selbstverständlich verfüge ich nicht über die nötigen persönlichen Zugangsrechte, um dieses Ding in Betrieb zu setzen. Wenn ich daran herumpfusche, wird das wahrscheinlich an unzähligen Stellen Alarm auslösen. Aber dass sich dieser Militärzwecken dienende Assembler überhaupt hier befindet, ist an sich schon bemerkenswert: Es ist so widersinnig, als würde jemand einen Doppeldecker durch die Bronzezeit fliegen lassen.
    Zweitens befinden sich Fächerregale an den Wänden, in denen verschiedene Ausrüstungsgegenstände verstaut sind. Ich bin mir ziemlich sicher,

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