Glashaus
einführen. Und Bestimmungen gegen Vergewaltigung, damit sich niemand ein Beispiel an Mick nimmt.«
»Hm.« Janis wirkt jetzt nachdenklich. »Falls die sich an eine streng authentische Nachschöpfung der dunklen Epoche halten wollen, werden sie Vergewaltigung mit gravierendem Punkteabzug bestrafen, allerdings nur, wenn der Mann auf frischer Tat ertappt wird.«
»Wie bitte?«, fragt Tammy empört. »Was soll das nützen?«
»Was soll irgendeine dieser Maßnahmen nützen?«, gibt Janis trocken zurück, greift in ihre Handtasche, zieht ein Netzgewebe heraus und reicht es mir. »Ich glaube, das gehört dir. Du hast es in der Bücherei liegen lassen.«
Ich schlucke und stopfe den Faradaykäfig - das Taschenfutter, in dem ich das später in der Mikrowelle gegrillte Versuchsobjekt aus der Bücherei nach Hause befördert habe - hastig in meine Handtasche. »Danke, da hast du recht«, plappere ich drauflos.
Janis’ Gesicht verzieht sich langsam zu einem Lächeln. »Es kratzt ein bisschen, fängt aber wunderbar das Licht ein.«
Schwer zu durchschauen, wie viel sie tatsächlich weiß oder ahnt. »Ich muss noch ein bisschen daran arbeiten«, improvisiere ich. »Wo hast du’s gefunden?«
»Hinten im Aufenthaltsraum. Beim Aufräumen.«
Mir kommt es so vor, als müsste jeder mein Herz laut pochen hören, aber offenbar hat es niemand bemerkt. Janis sieht erst mich an, dann El. »An was denkst du?«, fragt sie.
El blickt mit gequälter Miene von ihrer Stickerei auf. »Ich glaube, mir ist leicht übel.« Sie greift nach ihrer rosafarbenen Limonade. »Der Gottesdienst morgen wird schlimm.«
»Jede Menge Veränderungen kommen auf uns zu«, bekräftigt Tammy.
»Wovon redet ihr überhaupt?«, frage ich.
Janis nickt mir zu. »Ach ja, stimmt, du bist die ganze Woche im Krankenhaus gewesen, jedenfalls seit Dienstag.«
Tammy holt einen Slate heraus und legt ihn auf den Tisch. »Enthält viele Neuigkeiten«, sagt sie und klopft auf den Bildschirm. »Du solltest darüber Bescheid wissen.«
»Worüber?«, frage ich.
»Zum Ersten: Offenbar ist inzwischen unsere letzte Schar eingetroffen.«
»Aber die haben doch gesagt, dass nach meiner Schar noch vierzehn weitere ankommen.« Ich rechne nach. »Also fehlen noch sechs Gruppen. Mindestens sechs, oder?«
Tammy berührt den Slate. »Die haben mehrere Teile des YFH-GEMEINWESENS gleichzeitig aufgebaut. Wir sind nur ein Unterbezirk, eine Pfarrgemeinde , wie sie es nennen. Ab Montag werden sie alle Pfarrgemeinden miteinander verbinden, also bekommen wir jede Menge neuer Nachbarn.«
So weit stimmt es mit dem überein, was Dr. Hanta mir erzählt hat. »Und weiter?«
Janis wirft mir einen langen abschätzenden Blick zu. »Das Projekt ist viel umfangreicher, als man dir draußen bei deiner Einverständniserklärung gesagt hat. Was schließt du daraus?«
Ich mustere ihren Bauch, der bislang kaum eine Wölbung aufweist. Gleich darauf schwenkt mein Blick fast unwillkürlich zur Seite. »El, bist du … Ich meine, ich will ja nicht neugierig sein, aber kann es sein, dass du …«
»Dass ich schwanger bin?« El sieht mich mit ihren babyblauen Augen an und legt sich eine Hand auf den Bauch. »Wie kommst du nur darauf?«
Ich bemühe mich, meinen Schrecken zu überspielen. »Und bei mir ist die Periode überfällig«, bemerkt Bernice.
Das Experiment ist auf Dauer angelegt. »Und was haben die sonst noch in Gang gesetzt?«, hake ich nach.
»Derzeit eröffnen sie hier viele neue Einrichtungen«, erklärt Tammy begeistert. »Zum Beispiel ein Lichtspieltheater, ein Schwimmbad, einen Sportplatz unter freiem Himmel und ein Schauspielhaus. Außerdem auch neue Geschäfte. Und das Rathaus nimmt jetzt den öffentlichen Betrieb auf.«
»Meine Güte«, platzt Bernice heraus, ehe ich etwas dazu sagen kann. »Das wusste ich ja noch gar nicht!«
»Ich glaube, die versuchen’s uns gemütlich zu machen«, bemerkt Janis.
»Uns?«, frage ich. »Oder dem Nachwuchs ?« Ich mustere die rings um den Tisch versammelten Bäuche, in denen neue Lebewesen heranwachsen. Tatsächlich bildet meiner die einzige Ausnahme. Dank Sam.
»Gibt’s da einen Unterschied? Bald werden die meisten von uns sowieso dermaßen mit dem Wechseln von Windeln beschäftigt sein, dass sie kaum noch einen Kopf für etwas anderes haben, da bin ich mir ziemlich sicher.«
Janis hat manchmal einen Ton an sich, mit dem sie die wörtliche Bedeutung ihrer Aussagen ins Gegenteil verkehrt. Diesen vor Sarkasmus triefenden Tonfall gebraucht sie auch
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