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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Unterstützung am dringendsten brauchen. Zeigt ihnen den richtigen Weg, kümmert euch um sie und kritisiert sie auch, wenn nötig …«
    Nach und nach schweifen meine Gedanken ab. Fiores Stimme ist hypnotisch, hebt und senkt sich in genau abgemessenen Kadenzen. Da die Türen geschlossen sind, ist es warm und stickig in der Kirche. Offenbar hat Fiore heute nicht vor, vom Text seiner Predigt abzuweichen, um irgendeinen Sünder zu verdammen. Und dafür sollte ich eigentlich dankbar sein, denn Fiore hätte ja auch beschließen können, das, was ich letzte Woche getan habe, mit einem vernichtenden Schlag gegen mein Punktekonto zu bestrafen. Plötzlich ist mir trotz der Hitze kalt. Fiore hat mehr Nachsicht bewiesen, als ich von ihm erwartet habe. Soll ich seinem Beispiel folgen und versuchen, Janis selbst wieder auf die richtige Bahn zu bringen, anstatt Fiore von ihr zu erzählen?
    »… Denn denkt daran: Ihr seid eures Bruders Hüter, und man wird euch nach dem Verhalten eurer Brüder beurteilen. Der Weg ist das Ziel. Amen!«
    »Der Weg ist das Ziel!«, wiederholt der Chor. »Amen!«
    Wir stehen auf und singen gemeinsam ein weiteres, von rhythmischem Klatschen begleitetes Lied, diesmal in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Laut Gesangbuch geht es dabei offenbar ums Marschieren sowie um Freiheit und Brot. Danach verlassen der Priester und seine Helfer den Altarraum, und der Gottesdienst ist zu Ende.
    Ich bin leicht enttäuscht, aber auch erleichtert, als wir nacheinander ins helle Tageslicht hinaustreten, wo ein Büffet auf uns wartet. Sam ist noch stiller als sonst, aber im Augenblick ist mir das egal. Nachdem ich mir ein Weinglas und einen Teller mit Kräckern aus Weizenmehl und Pilzen geschnappt habe, schlendere ich zu unserer Gruppe hinüber.
    »Also haben wir beschlossen, hier drinnen Fuß zu fassen, wie?«, fragt eine Stimme an meiner linken Schulter. Mit Mühe unterdrücke ich es, eine angewiderte Grimasse zu ziehen. Selbstverständlich kommt die Bemerkung von Jen.
    »Mir liegen meine Nachbarn am Herzen«, bemerke ich mit aller Aufrichtigkeit, die ich aufbringen kann, und zwinge mich dazu, Jen zuzulächeln.
    Natürlich erwidert sie das Lächeln und strahlt mich an. »Mir auch!«, flötet sie und wirft einen Blick in die Runde. »Allerdings bin ich froh, dass Fiore heute so gnädig mit uns umgegangen ist. Soweit ich weiß, hätte er mit einigen von uns recht hart umspringen können!«
    Hinterhältige kleine Nutte. »Ich hab keine Ahnung, wovon du redest«, setze ich an, kann aber nicht weiterreden, da die Kirchenglocken zu läuten begonnen haben. Normalerweise bimmeln sie so, dass eine Art Rhythmus herauszuhören ist, aber jetzt klappern und scheppern sie, als wäre etwas in den Seilen hängen geblieben. Einige Leute drehen sich bereits um und blicken zum Glockenturm hinauf. »Das ist ja seltsam.«
    »Ja, stimmt.« Jen tut es mit einem Schnauben ab und wendet sich einer Traube von Männern in ihrer Nachbarschaft zu.
    »Ich bin noch nicht fertig mit dir.«
    »Reine Wunschvorstellung, Süße.« Ein breites Grinsen, und schon ist sie weg.
    Irritiert blicke ich zum Turm hinauf. Unten steht die Tür leicht auf. Seltsam, denke ich. Eigentlich geht es mich ja nichts an, aber was ist, wenn sich oben irgendetwas gelöst hat? Ich muss jemanden zu Hilfe holen. Also reiche ich mein Glas und den Teller einem Zombie, der hier bedient, und mache mich auf den Weg zur Tür, wobei ich darauf achte, mit meinen hohen Absätzen den Rasen zu meiden.
    Als ich näher komme, wird das Klappern und Scheppern der fehlgesteuerten Glocken lauter, und ich erkenne irgendetwas Dunkles auf der Eingangsstufe. Ein unangenehm vertrauter Gestank dringt mir so scharf in die Nase, dass mir die Augen tränen. »Hier drüben! Hilfe!«, brülle ich, während ich mich umdrehe, und stoße die Tür auf.
    Der Glockenturm ist ein hohes Gebäude, in das durch winzige Fenster, die unmittelbar unter der Spitze in die Wand eingelassen sind, Licht dringt. Dieses Tageslicht wirft lange Schatten über die Balken und die daran befestigten herunterbaumelnden Glocken. Über dem weiß gekalkten Fußboden schwingen sie scheppernd hin und her und fügen der wachsenden Pfütze dunkler Flüssigkeit weitere Spritzer hinzu. Etwas Dunkles, das sich ausbreitet, trübe Schatten, ein helleres Pendel, das über den Boden schwingt: Es dauert eine Sekunde, bis sich meine Augen an das Zwielicht gewöhnt haben, und eine weitere, bis ich begreife, was ich da sehe.
    Ausgerechnet Mick ist

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