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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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getan. Schließlich hätten seine Kollegen ihn gezwungen, sich einem Eingriff in die Erinnerungen und der Rehabilitation zu unterziehen. Und bei diesem Eingriff hat man gründliche Arbeit geleistet, um meinem Vergessen nachzuhelfen. Nach allem, was ich weiß, könnte ich durchaus ein Kriegsverbrecher oder so was sein. Ich habe mehr als eine Gigasekunde meines Lebens eingebüßt. Und die Dinge davor sind voller Erinnerungslücken. Ich weiß überhaupt nicht, welchen Beruf ich ausgeübt oder was ich während der Zensur getan habe. Und ich kann mich weder an Freunde und Familienangehörige noch an sonstige Personen erinnern.«
    »Das ist ja schrecklich.« Kay legt eine ihrer schlanken Hände auf meine und sieht mich über die Reste eines bemerkenswert guten Schmortopfs aus Auberginen und Knoblauch hinweg aufmerksam an.
    »Aber das ist noch nicht alles.« Ich blicke auf ihr Weinglas, das leer neben der Karaffe steht. »Noch Wein?«
    »Ich bedien mich schon.« Sie füllt mein Glas, hält es mir an die Lippen und nimmt gleichzeitig einen Schluck von ihrem eigenen nachgeschenkten Wein, ohne meine Hände loszulassen. Während ich schlucke, schenke ich ihr ein Lächeln, und sie erwidert es. Vielleicht spricht doch einiges für ihren mit sechs Gliedmaßen ausgestatteten Körper, obwohl ich davor zurückscheuen würde, mir selbst so einen zuzulegen. Sicher musste sie einige recht weit reichende Veränderungen am Rückgrat vornehmen lassen, um all diese Glieder mit derart unbewusster Grazie koordinieren zu können. »Erzählst du jetzt weiter?«
    »Es gibt gewisse Anhaltspunkte.« Ich schlucke. »Sogar ziemlich offenkundige. In diesem Brief hat er mir mitgeteilt, ich müsse vor alten Gegnern auf der Hut sein - vor solchen Leuten, die sich nicht mit einem simplen tödlichen Duell begnügen würden.«
    »Was meinst du damit?« Sie wirkt betroffen.
    »Identitätsraub, Verstümmelung des Back-up.« Ich zucke die Achseln. »Oder … Ich weiß es ja auch nicht. Ich meine, ich erinnere mich nicht an solche Dinge. Entweder war mein früheres Selbst völlig paranoid oder in eine überaus schmutzige Sache verwickelt und hat sich deswegen zurückgezogen und für die Radikalkur entschieden. Falls das Letztere zutrifft, könnte ich wirklich tief in der Scheiße stecken. Ich hab so viele Erinnerungen eingebüßt, dass ich nicht weiß, wie diese Art von Leuten, mit denen er zu tun hatte, sich verhält und was sie antreibt. Ich hab einiges nachgelesen und mich mit der Geschichte befasst, aber das ist nicht dasselbe, wie tatsächlich dabei gewesen zu sein.«
    Wieder muss ich schlucken. Mein Mund ist wie ausgedörrt, denn an diesem Punkt des Gesprächs kann es durchaus passieren, dass sie aufsteht und mich im Stich lässt. Plötzlich wird mir klar, wie sehr meine Selbstachtung davon abhängt, dass sie auch weiterhin ein positives Bild von mir hat. »Ich meine, er kann durchaus ein Söldner gewesen sein, der für eine der Mächte gearbeitet hat.«
    »Das wäre schlimm.« Sie lässt meine Hände los. »Robin?«
    »Ja?«
    »Hast du deshalb seit dem Eingriff kein Back-up angelegt? Und suchst du dir aus eben den Gründen an öffentlichen Orten stets einen Platz aus, bei dem du eine massive Wand im Rücken hast?«
    »Ja, stimmt.« Als ich es zugebe, weiß ich gar nicht mehr, warum ich es ihr nicht längst gesagt habe. »Ich habe Angst vor meiner Vergangenheit. Ich möchte, dass sie tot und begraben bleibt.«
    Sie steht auf, beugt sich über den Tisch, um nach meinen Händen zu greifen und mein Gesicht zu umfassen, und küsst mich. Es dauert nicht lange, bis ich den Kuss begierig erwidere. Irgendwie landen wir neben dem Tisch und umarmen einander, und das bedeutet bei Kay jede Menge Körperkontakt. Während sie meinen Rücken streichelt und mich fest umklammert, lache ich vor Erleichterung. »Ist schon in Ordnung«, sagt sie beruhigend. »Es ist alles in Ordnung.« Na ja, das stimmt nicht ganz - aber sie ist in Ordnung, und plötzlich habe ich das Gefühl, als hätte sich mein Horizont um eine Dimension erweitert. Ich bin nicht mehr allein. Jetzt gibt es jemanden, mit dem ich reden kann, ohne befürchten zu müssen, einem feindseligen Verhör ausgesetzt zu sein. Das Gefühl der Erleichterung ist so groß, dass es mir weit mehr bedeutet als simpler Sex.
    »Komm«, sage ich. »Lass uns Linn und Vhora besuchen.«
    »Klar.« Sie löst sich teilweise von mir. »Aber es liegt doch auf der Hand, was du tun musst, Robin, meinst du nicht?«
    »Hä?«
    »Um dein

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