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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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letztendlich vielleicht doch noch alles gut ausgehen wird.
    Wir müssen nicht unbedingt scheitern.
    Oder doch?

    Das Frühstück nehmen wir in stiller Verzweiflung ein. Während wir Kaffee trinken und Toast essen, räuspere ich mich, um zu einer sorgfältig vorbereiteten Rede anzusetzen. »Ich muss vor der Kirche noch in die Bücherei, Sam. Hab meine Handschuhe dort vergessen.«
    »Ach ja?« Als er aufsieht, zeichnen sich auf seiner Stirn Sorgenfalten ab.
    Ich nicke nachdrücklich. »Ohne die Handschuhe kann ich nicht zur Kirche gehen, das wäre nicht schicklich .« Schicklich zählt zu den Schlüsselbegriffen, auf die die Lauscher achten. Eigentlich verstößt es nicht unbedingt gegen die Kleidungsregeln, mit bloßen Armen zur Kirche zu gehen, aber die Handschuhe liefern mir einen guten Vorwand dafür, kurz in der Bücherei vorbeizuschauen.
    »Okay, dann werde ich wohl mitkommen müssen«, erwidert Sam mit der Begeisterung eines Todeskandidaten, der vor der Luftschleuse steht. »Wir müssen bald los, nicht?«
    »Ja. Ich hol schon mal meine Tasche.«
    »Ich werde meine neue Weste tragen.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch, denn Sam hat noch weniger Sinn für Mode als ich. »Sie ist oben«, erklärt er. Einen Augenblick lang befürchte ich, er könne noch mehr sagen - irgendetwas, das unser Vorhaben verrät -, doch er beißt sich noch rechtzeitig auf die Zunge. Vor Anspannung ist mir leicht übel. »Dann mach’s gut, Liebling, bis gleich.«
    »Kann ja nichts schiefgehen«, erwidert er mit bemühter Ironie. Als er aufsteht und die Treppe zu unserem Schlafzimmer hochgeht (ja, zu unserem gemeinsamen Schlafzimmer, denn wir verbringen die Nächte nicht mehr allein), schlägt mein Herz einen Takt schneller. Doch jetzt muss ich mich beeilen: den Abfall wegräumen, das Geschirr in die Spülmaschine stellen, die Schuhe anziehen.
    Als Sam nach unten kommt, ist er fertig zum Kirchgang angezogen. Unter dem Anzugjackett trägt er eine Weste mit vielen Taschen, in der Hand die Aktentasche, die wir gestern gepackt haben. »Lass uns … gehen«, sagt er und wirft mir ein schwaches Grinsen zu.
    »Tja.« Nach einem Blick auf die Uhr greife ich nach meiner übergroßen Handtasche. »Los geht’s!«
    Gegen zehn Uhr kommen wir an der Bücherei an. Nachdem ich aufgeschlossen habe, sehe ich, dass die Tür zum Keller schon offen steht. Während ich die Treppe hinuntersteige, greife ich in meine Tasche, denn mir ist deutlich bewusst, dass die Schurken schon auf mich warten werden, falls jemand gesungen hat. Aber unten ist nur Janis.
    »Hi, Janis«, begrüße ich sie leicht nervös.
    »Hi, Reeve.« Sie senkt die Waffe. »Hab nur sehen wollen, wer’s ist.«
    »Klar. - Sam? Komm runter!« Ich wende mich wieder Janis zu. »Also sind Greg, Martin und Liz noch nicht aufgetaucht?«
    »Nein.« Janis deutet auf einen Stuhl, auf dem graue Plastikziegel gestapelt sind. »Sam? Ich glaube, es ist besser, wenn du die an dich nimmst.«
    »Mach ich.« Sam schlendert hinüber, greift nach einem Ziegel, drückt versuchsweise darauf und schnüffelt daran. »Hm, riecht nach Erfolg. Wo sind die Zündkapseln dazu?«
    »Auf dem Sofa.«
    Als mein Blick auf die Reservemagazine fällt, greife ich mir zwei heraus und prüfe, ob sie ordnungsgemäß geladen sind. »Wo sind die Sprechfunkgeräte?«
    »Kommen gleich.« Janis deutet auf das A-Tor. »Wir müssen auch noch die Zeit auf unseren Armbanduhren abgleichen.«
    »Okay.« Ohne Sprechfunk und Kopfhörer kann das hier nicht besonders gut klappen, aber diese Geräte standen auf unserer Produktionsliste an letzter Stelle, weil sie allzu schnell Misstrauen hätten auslösen können. Man kann sie auch leichter sabotieren als mechanische Metallobjekte und chemische Sprengstoffe, außerdem besteht bei ihnen viel eher als bei uralten Waffenmodellen die Gefahr, dass sie die Alarmvorrichtungen im A-Tor aktivieren. Falls die Sprechfunkgeräte nicht funktionieren, sind wir bei unserer Operation auf die primitivsten Mittel angewiesen: mechanisch arbeitende Armbanduhren und eine vorher festgelegte Zeit zum Losschlagen.
    Sam stopft sich Sprengstoffbarren in die Westentaschen und quetscht sie so lange, bis sie hineinpassen. Um die Taille herum beult sich die Weste so aus, als hätte er plötzlich zugenommen, und das Jackett, das er sich jetzt überstreift, kann er vorne nicht zuknöpfen. Was er gerade tut, erinnert mich an etwas, das mir früher sehr vertraut war, an etwas Alarmierendes, aber ich weiß nicht mehr genau, an was.

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