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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Versuchsleiter verklagen, wenn sie meine eingeschränkten Rechte verletzen, allerdings verfügen sie über fast unbegrenzte finanzielle Mittel. Der zweite Punkt ist recht annehmbar geregelt. Als ich kurz nachrechne, stelle ich fest, dass das Gesamthonorar, das sie mir für drei alte Erdenjahre in diesem Hamsterkäfig versprechen, wahrscheinlich ausreichen wird, mich nach Projektschluss mindestens dreimal so lange über Wasser zu halten.
    Nach und nach beruhige ich mich. Ich bin nicht zum Opfer eins Hackers geworden. Das hier habe ich mir selbst, aus freiem Willen, eingebrockt. Und es hat auch seine guten Seiten. Mein anderes Selbst hat seinen Verstand schließlich nicht an der Garderobe abgegeben. Und mir geht auf, dass es für die unbekannten bösen Buben tatsächlich sehr schwer werden wird, mir innerhalb dieses experimentellen Gemeinwesens auf die Pelle zu rücken. Schließlich ist es durch eine Firewall und die Stoßtruppen des Scholastiums geschützt und nur durch ein einziges T-Tor zugänglich.
    Man erwartet von mir, dass ich mich so verhalte, wie es die historische Epoche verlangt, in der wir vorgeblich leben. Das bedeutet: Ich muss mich in einem mir völlig fremden Körper bewegen, einen Decknamen benutzen, mich auf eine getürkte persönliche Vergangenheit beziehen und darf mit keinem der Probanden über die Außenwelt reden.
    Allerdings heißt das auch, dass jeder potenzielle Attentäter, der mich verfolgt, auf riesige Probleme stoßen wird. Beispielsweise weiß er ja gar nicht, wie ich aussehe, darf sich nicht nach meinem alten Selbst erkundigen und kann keine Waffen einschleusen. Falls ich Glück habe, wird mein anderes Ich da draußen diese Sache innerhalb der nächsten hundert Megs für mich erledigen. Sodass ich frei und wohlhabend bin, wenn ich hier herauskomme und unsere Zustandsvektoren miteinander verschmelzen.
    Sollte es ihm nicht gelingen … Na ja, ich kann mich ja erkundigen, ob ich diese angenommene Identität nach Projektschluss beibehalten darf …
    Ich ziehe den Karton mit der Kleidung unter dem Bett hervor und rümpfe die Nase. Nicht, dass sie stinkt oder so, aber sie sieht ein wenig seltsam aus - historisch korrekt, behauptet der Text auf dem Slate. Ich stoße auf eine merkwürdige schwarze Tunika, sehr schlicht, die meine Arme und Unterschenkel frei lässt, und eine schwarze Jacke, die ich darüber tragen kann. Das Schuhwerk besteht aus glänzenden schwarzen Pumps (was nahe legt, dass in dieser Zone starke Schwerkraft herrschen muss), die vorn zu bizarren Spitzen zulaufen und hinten drei oder vier Zentimeter hohe Stöckelabsätze haben. Die Unterwäsche ist durchaus schlicht, aber ich brauche ein Weilchen, bis ich herausgefunden habe, dass das hauchdünne graue Gebilde ein Mittelding aus Strumpf und Hose ist, das ich über die Beine ziehen soll. Die, wie mir auffällt, unbehaart sind. Tatsächlich habe ich überhaupt keine Haare, außer auf dem Kopf. Also hat mein Körper zwar eine naturbelassene menschliche Form, ist aber domestiziert. Ich schüttle den Kopf.
    Das Verrückteste an der Kleidung ist, dass keiner der Stoffe intelligent ist - zu dumm, um Schmutz abzuweisen, Hautbakterien zu absorbieren, und schon gar nicht fähig, sich neuen Moden anzupassen oder Gespräche zu führen. Außerdem hat die Oberbekleidung keine Taschen; im Jackenfutter ist nicht einmal ein unauffälliges T-Tor verborgen. Wann wurden T-Tore überhaupt erfunden?, frage ich mich. Später werde ich mir Kleidung mit mehr Hirn besorgen müssen.
    Nachdem ich alles angezogen habe, prüfe ich mein Äußeres im Badezimmerspiegel. Mein Haar wird mir Probleme machen. Ich sehe überall nach, finde aber nur eine elastische Schlinge, durch die ich mein Haar stecken kann. Das muss reichen, bis ich es auf eine vernünftige Länge zurückstutzen kann.
    Jetzt bleibt mir nichts mehr zu tun, als an dieser Einweisung und dem »Empfang bei Käse und Wein« teilzunehmen. Als greife ich nach meinem Slate, öffne die Tür und ziehe los.

    Hinter der Tür liegt ein lang gestreckter, aber schmaler Raum, dessen Fußboden mit schwarz-weißen Marmorkacheln gefliest ist. Ich bin aus einem von zwölf Eingängen gekommen, die in drei weiß getünchte Wände eingelassen sind. Die vierte Wand, die meiner Tür gegenüberliegt, ist mit einem Material getäfelt, das ich kurz darauf als Holz erkenne (offenbar hat man dafür die legendären Bäume gefällt und in einzelne Bohlen zersägt). Links und rechts sind zwei Türen ins Holz eingefügt, die

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