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Glashaus

Titel: Glashaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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jetzt offen stehen. Ich nehme an, dass hier die Einweisung stattfinden wird, obwohl mir nicht einleuchtet, warum sie das nicht via Netz machen. Als ich zur nächsten offenen Tür gehe, merke ich, dass meine Schuhe bei jedem Schritt unangenehm laut über den Boden klappern, und das nervt mich.
    Sieben oder acht Leute befinden sich bereits in dem großen Vortragsraum, in dem mehrere Reihen unbequem wirkender Stühle vor einem Rednerpult stehen. Die hintere Wand ist ebenfalls weiß getüncht. Wir (ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, dass ich freiwillig zu diesem WIR gehöre, auch wenn ich mich im Augenblick keineswegs so fühle) sind ein ziemlich ausgeglichenes Mix aus Männern und Frauen in Menschengestalt, alle in historischen Kostümen. Die Kleiderordnung scheint sich hier nach komplizierten Regeln zu richten, die vorschreiben, wer welche Klamotten tragen darf. Alle Anwesenden haben verblüffend viel Stoff auf dem Leib, wenn man bedenkt, dass wir uns in einem vollklimatisierten Habitat befinden. Den Frauen hat man einteilige Kleider oder Röcke verpasst, die bis zum Knie reichen, außerdem Oberteile, die den Oberkörper verhüllen. Die Männer tragen Jacketts und dazu passende Hosen, darunter Hemden mit beengenden Kragen, um die ebenso beengende schmale Gebinde geschlungen sind. Größtenteils ist die Kleidung schwarz-weiß oder grau-weiß - bemerkenswert langweilig.
    Abgesehen von der archaischen Kostümierung gibt es auch noch andere Absonderlichkeiten: Keiner der Männer hat langes und keine der Frauen kurzes Haar, soweit ich sehen kann. Als ich hereinkomme, drehen einige der Anwesenden die Köpfe. Doch ich komme mir in meinem Aufzug keineswegs fehl am Platz vor, auch wenn ich mein langes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden habe. Genau wie alle anderen bin ich eine Unbekannte in historischer Kleidung, in meinem Fall Frauenkleidung.
    »Findet hier die Einweisung statt?«, frage ich den Erstbesten, einen großen Kerl mit schwarzem Kopfhaar und sorgfältig gestutzter Gesichtsbehaarung. Wahrscheinlich ist er nicht größer als mein früheres Ich, aber von meiner neuen, niedrigen Warte aus muss ich, wie mir auffällt, zu ihm aufblicken.
    »Ich glaube schon«, erwidert er bedächtig und zuckt die Achseln. Offenbar fühlt er sich nicht wohl in seiner Haut. Kein Wunder, denn seine Kleidung sieht so aus, als würde sie ihn demnächst erwürgen. »Bist du gerade angekommen? Nach meinem letzten Back-up hab ich in meinem Zimmer eine Instruktion vorgefunden …«
    »Tja, ich auch«, erwidere ich, klemme mir meinen Slate unter den Arm und lächle ihn an. Ich merke es, wenn jemand aus Nervosität plappert, und der Große wirkt genauso unangenehm berührt, wie ich mich fühle. »Erinnerst du dich daran, eine Einverständniserklärung unterschrieben zu haben? Und hast du das auch erst nach dem Back-up getan?«
    »Ich bin also nicht der Einzige, dem’s so ergangen ist, wie?« Er wirkt erleichtert. »Ich war in der Reha«, setzt er hastig hinzu. »Hab mich gerade von diesem verrückten Zustand nach dem Eingriff erholt. Und dann bin ich hier aufgewacht …«
    »Tja, wie auch immer …« Ich nicke, inzwischen nicht mehr sonderlich an seiner Geschichte interessiert. »Ich auch. Wann fängt’s hier denn an?«
    In der hinteren weißen Wand geht eine Tür auf, die mir vorher nicht aufgefallen ist, und ein dicker Mann in Menschengestalt kommt herein. Er trägt einen langen weißen Mantel, der vorne altmodische Knopfverschlüsse hat. Beim Gehen watschelt er wie eine fette, selbstzufriedene Echse. Sein schwarzes Haar umrahmt das Gesicht in dünnen, ölig wirkenden Locken und ist länger als bei allen anderen Männern im Saal. Er geht zum Rednerpult und räuspert sich auf widerwärtige Weise, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    »Willkommen! Ich freue mich, dass Sie der Einladung zu unserer heutigen kleinen Einführung gefolgt sind. Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass wir um persönliches Erscheinen gebeten haben; aber da wir bei unserem Forschungsprojekt rigoros auf historische Konsistenz achten, wollten wir uns generell an den Parametern ausrichten, die diese von uns simulierte Gesellschaft am Laufen halten. Und da die Menschen damals es auf diese Weise, mit einem persönlichen Treffen, getan hätten … Wenn Sie jetzt bitte Platz nehmen würden?«
    Es dauert ein Weilchen, bis wir alle unsere Plätze eingenommen haben. Ich lande in der ersten Reihe, zwischen dem großen Kerl und einer Frau mit blasser,

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