Glasklar
Welt schaffen.«
Sanders Gesichtsausdruck blieb unbeweglich.
»Wir kennen natürlich die Gesetzeslage«, hakte Manuela Maller wieder ein, während sie ihren Kugelschreiber drehte, »und uns ist auch bekannt, wie ernst Sie Ihren Job nehmen. Aber es könnte Situationen geben, die … sagen wir mal … die es beiderseits für geraten erscheinen lassen, auf irgendeine Weise zusammenzuarbeiten.«
Sander holte tief Luft. Er hatte sich bereits auf der Herfahrt Argumente zurechtgelegt, doch wollte er sie nicht gleich alle in die Diskussion einbringen. Deshalb zog er es vor, zunächst zu schweigen.
»Wir wissen, dass Sie vergangene Nacht den Notruf angerufen, sich aber nicht gemeldet haben«, erklärte Häberle, während er ein Fenster öffnete. »Wahrscheinlich, so vermute ich, haben Sie das heimlich gemacht und uns sozusagen mit einem Trick sagen wollen, wo Sie sind. Dann aber sind Sie entweder in ein Funkloch geraten, oder Ihr Akku war leer. Aus irgendeinem Grund, den wir noch nicht kennen, wollen Sie jetzt alles rückgängig machen. Dafür…«, Häberle verschränkte seine kräftigen Arme, »dafür gibt es zwei Erklärungen. Erstens: Sie werden eingeschüchtert oder gar erpresst.« Sander sah an ihm vorbei zu einem Poster, das an der gegenüberliegenden Wand hing und einen Polizeihubschrauber zeigte. »Zweitens«, fuhr Häberle fort, »es hängt mit den Schriftstücken zusammen, die Sie im Taxi dabeihatten, als Sie von den Kollegen überprüft wurden.«
Manuela Maller lächelte und sah Sander mit ihren großen dunklen Augen an: »Uns interessiert zunächst nicht mal so sehr, was Sie gekriegt haben – sondern nur, ob es tatsächlich eine Entführung war, von der Sie im Notruf gesprochen haben.«
Vier Augenpaare waren auf den Journalisten gerichtet. Er hielt ihnen stand. »Ich hab Ihnen doch schon gesagt, dass ich mich zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu äußern möchte.«
»Wir drei brauchen uns nichts vorzumachen«, erklärte Häberle. »Wenn wir wissen, mit wem Sie vorige Nacht unterwegs waren, kämen wir weiter. Und genau dies sollten Sie bei Ihrer Entscheidung bedenken. Bisher hat unsere Zusammenarbeit doch bestens geklappt.« Es war der Versuch, ihn mit den freundschaftlichen Beziehungen zu ködern. Dabei hatte er seinen Freunden bei der Polizei oft genug gesagt, dass er im Ernstfall eben seinen Job machen müsse. Genauso, wie sie kein Auge zudrücken könnten, wenn sie ihn betrunken am Steuer erwischen würden.
»Ich bin mir sicher«, fuhr Häberle fort, »dass Ihnen auch daran gelegen ist, uns weiterzuhelfen.« Er lächelte.
Sander kämpfte mit sich, ob er ihm ein Stichwort geben sollte, das aus den Schriftstücken stammte. Einerseits wollte er dem Kriminalisten durchaus weiterhelfen – doch andererseits musste er die Identität des Informanten schützen, auch wenn er sie selbst nicht kannte. Wenn es nur eine Möglichkeit gäbe, ohne Hilfe von Polizei und Behörden an das Kennzeichen zu gelangen! In diesem Augenblick hatte er eine Idee. Ob das klappen würde, war zwar unklar. Aber er konnte es versuchen. Doch dazu brauchte er Häberle nicht. Trotzdem, so beschloss er bei sich, konnte es niemandem schaden, wenn er dem Chefermittler sozusagen aus alter Freundschaft einen Brocken vorwarf, der zumindest, wenn es sich tatsächlich um eine brisante Angelegenheit handelte, in Polizeikreisen für Furore sorgen dürfte.
»Bitte verstehen Sie mich«, sagte Sander bedächtig und sah Maller und Häberle nacheinander an, »aber ich muss wohl auf nichts eine Antwort geben, was auf die Person meines Hinweisgebers Rückschlüsse zuließe. Trotzdem …«, er suchte nach einer Formulierung, »… trotzdem möchte ich eine Gegenfrage stellen.«
»Und die wäre?«, stieg Häberle sofort darauf ein.
»Sagt Ihnen der Name Flippi etwas?«
»Flippi?«, wiederholte der Kriminalist und lehnte sich mit den Unterarmen gegen die Tischkante. Er schien angestrengt nachzudenken. Sander vermochte nicht zu ergründen, ob dies gespielt war oder nicht.
32.
Uli Bayreuter hatte sich während seiner administrativen Tätigkeit als Schulleiter an diesem Montagvormittag nicht richtig konzentrieren können. Dass er gestern Abend noch in eine Polizeikontrolle geraten war, stimmte ihn nachdenklich – insbesondere, weil sich die Streifenbeamten so seltsam benommen hatten. Zunächst hatte er seinen alten Schulfreund Sander anrufen und sich erkundigen wollen, ob etwas Neues aus Polizeikreisen bekannt geworden war. Doch dann verwarf er diesen
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