Glasklar
erfahren, ob Sie schon immer Immobilienmakler waren?«
Lechner grinste provokant. »Was soll denn diese Frage, wenn Sie ohnehin schon alles überprüft haben?«
»Sie müssten eigentlich am besten wissen, dass es Mittel und Wege gibt, so etwas rauszukriegen«, entgegnete Speckinger ebenso frech.
»Schauen Sie doch in den Akten nach. Dann werden Sie alles finden. Im Übrigen gibt es da nichts, was ich verheimlichen will, falls Sie das meinen.«
Speckinger gab preis, was er über ihn herausgefunden hatte: »Geboren in Bad Ditzenbach, Ausbildung bei der Bepo in Göppingen, dann Einzeldienst in Schwäbisch Gmünd und nach, sagen wir mal, verunglücktem Schusswaffengebrauch auf eigenen Wunsch 1975 bereits wieder ausgeschieden, noch ehe Sie Beamter auf Lebenszeit geworden wären.«
Lechner griff sich ans Kinn, als wolle er die Bartstoppeln prüfen. »Na und?«, war alles, was ihm einfiel.
»Ich stell das nur so in den Raum. Weiter nichts. Was auffällt, ist, dass auch Herr Heidenreich sehr früh aus dem Polizeidienst ausgeschieden ist.«
»So? Macht mich das verdächtig, oder was?«
»Ich versteh Ihr Misstrauen nicht. Ich mach nur meine Arbeit.«
»Dann dürfte Ihnen jetzt auch klar sein, weshalb mich Werner Heidenreich gebeten hat, mich um diese Tunnelgeschichte zu kümmern.«
»Natürlich – die Frage, die erlaubt sein darf, ist doch aber, weshalb Sie uns das gestern nicht gesagt haben.«
»Haben Sie mich denn danach gefragt?«, konterte Lechner.
Der Kriminalist blieb die Antwort schuldig. »Ein Schulkamerad von ihm sind Sie aber nicht?«, fragte er stattdessen.
»Da muss ich Sie enttäuschen. Weil meine Eltern nach Göppingen umgezogen sind, als ich sechs war, bin ich dort eingeschult worden. Steht das nicht in Ihren Akten?«, hakte er spitz nach.
»Und nach Ihrem Ausscheiden aus dem Polizeidienst haben Sie in Immobilien gemacht?«, blieb Speckinger beharrlich.
»So schnell geht das nicht. Zuerst Versicherungen und mich dann hochgedient.«
Versicherungen, dachte der Kriminalist, und er entsann sich einiger Bekannten, die damals in den 70er-Jahren auch versucht hatten, damit das große Geld zu machen. Doch sobald der Freundes- und Bekanntenkreis abgegrast oder versichert war, hatten sie sehr schnell feststellen müssen, dass man auch bei diesem Job an Grenzen stieß – vor allem, wenn sich die Freunde voller Grausen abwandten, weil sich die Gespräche nur noch um Versicherungen und windige Anlagemöglichkeiten drehten.
»Und dass Sie nun hier in diesem Zelt hausen, anstatt in ein Hotel zu gehen, das hat nichts zu bedeuten?«, wollte Speckinger wissen.
»Sie meinen, ob ich mir ein Hotel leisten könnte?« Lechners Gesicht verzog sich zu einem mitleidigen Lächeln. »Ich will mit der Natur verbunden sein. Nennen Sie mich ruhig einen Aussteiger. Das stört mich nicht. Irgendwann stellen Sie sich die Frage, wie lange Sie eigentlich einer Sache hinterherrennen wollen.« Lechner sah zum Horizont, wie das oft Indianer in alten Westernfilmen taten, wenn sie dem weißen Mann sagten, dass er die wirklich wichtigen Dinge der Welt nicht zu ermessen vermöge.
Speckinger verspürte widerwillige Bewunderung. »Und doch braucht man leider Gottes eine gewisse Sicherheit.«
»Gewisse Sicherheit«, griff Lechner diese Bemerkung auf, »das ist doch relativ. Der eine braucht Haus, Hof und Garten – dem anderen reicht ein Zelt. Was soll diese Sicherheit, Herr Speckinger? Abrackern, schuften, vom Staat versklaven lassen – nur, damit Sie 50, 60, 70, 80 Jahre lang eine Sicherheit haben, die gar keine ist?«
Speckinger schwieg.
»Was haben Sie denn von Ihrer mühsam ersparten Sicherheit? Ruckzuck holt sich der Staat, wofür Sie Ihr Leben lang geschuftet haben. Nein, Herr Speckinger, für mich zählt das Jetzt und Heute. Lebe jetzt – und lass dich nicht von der Angst lähmen, was geschehen könnte.« Er kniff die Augen zusammen und fixierte irgendeinen Punkt am Horizont. »Vielleicht ist auch alles nur eine Illusion. Haben Sie das schon mal überlegt? Wenn es dies hier alles gar nicht gibt?« Er deutete mit dem Kopf ins Land hinaus. »Wenn alles nur in unserer Fantasie besteht? Wie eine Art Traum. Und alles, was geschieht, entspringt unserem eigenen Ich. Alles haben wir uns mit der Kraft der eigenen Vorstellung gebaut. Ein faszinierender Gedanke, oder finden Sie nicht?«
Speckinger schwitzte. Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte er sich gerne darüber unterhalten. Doch jetzt fühlte er sich müde.
»Ich stell mir vor,
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