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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Tage vor der Entführung der Lufthansa-Maschine.«
    Häberles Miene wurde ernst. »Und was genau ist damals passiert?«
    Maller zuckte mit den Schultern. »Exakt lässt sich das nicht mehr feststellen. Es bestand wohl im Zuge der Fahndung nach den Schleyer-Entführern der Verdacht, dass sich irgendeine Gruppe in dieser alten Fabrikhalle festgesetzt hatte. Esslingen galt damals irgendwie als Ausgangspunkt für terroristische Aktivitäten.«
    Häberle kamen unweigerlich Bilder aus seiner Jugendzeit in Erinnerung. Von den ›68ern‹, die sich gegen die noch junge Republik aufgelehnt hatten, weil sie es nicht mehr länger ertrugen, dass spießige und autoritäre Gestrige das Sagen hatten, vor allem aber, dass versucht wurde, die Nazi-Vergangenheit zu verdrängen. Dann war am Gründonnerstag 1968 in Berlin das Attentat auf Rudi Dutschke gewesen, den bekanntesten Wortführer der damaligen Studentenbewegung. Die Folge war eine riesige Demonstration vor jener Esslinger Druckerei, in der die Stuttgarter Auflage der ›Bild‹-Zeitung gedruckt wurde. Dem Boulevardblatt wurde vorgeworfen, mit schlagzeilenträchtiger Hetze gegen den Studentenprotest das Attentat ausgelöst zu haben, bei dem Dutschke schwer verletzt worden war. Häberle konnte sich noch lebhaft daran entsinnen, dass es die Studenten mit ihrer Blockade der Druckerei geschafft hatten, die Auslieferung der Zeitung an jenem Ostersamstag zu verhindern.
    Für einen kurzen Moment überlegte Häberle, wie dieses 1968 die Republik verändert hatte. Verhärtungen waren aufgebrochen worden, keine Frage. In gewisser Weise eine Wende. Die junge Republik hatte sich von ihren Fesseln befreit. Allerdings, so Häberles Einschätzung, war eine geringe Minderheit mit dem Erreichten offenbar nicht zufrieden gewesen und in eine gefährliche Richtung abgeglitten, die die Republik neun Jahre später in ganz anderer Weise erschütterte.
    »Und welche Rolle hat Heidenreich gespielt?«, fragte er wie automatisiert. Die Frage galt Manuela Maller, hätte sich aber auch auf seine eigenen Gedanken beziehen können.
    Die Chefin zuckte mit den Schultern. »Günter Lechner, dieser Flippi also, wurde damals zum Umfeld der Baader-Meinhof-Bande gezählt, doch es gibt keine Akten, aus denen weitere Details ersichtlich wären. Immerhin ist das jetzt über 30 Jahre her.«
    Sie hat recht, dachte Häberle. 30 Jahre und doch so, als ob es sich vor ein paar Monaten ereignet hätte. Manche Geschehnisse brannten sich derart ins Gedächtnis ein, dass sie auch nach Jahrzehnten noch wie ein Film ablaufen konnten. Noch heute konnte jeder, der es erlebt hatte, genau sagen, was er getan hatte, als John F. Kennedy ermordet oder die ersten Livebilder von der Mondlandung übertragen worden waren. Ganz zu schweigen vom 11. September 2001. Es gab historische Ereignisse, das hatte Häberle einmal irgendwo gelesen, die waren so einschneidend, dass sie die gesamte Menschheit ihr Leben lang nicht vergaß. Wie viele solcher Einschnitte mochte es während der beiden zurückliegenden Weltkriege gegeben haben? Er musste an seinen Vater denken, der diese schrecklichen Zeiten hautnah und an vorderster Front erlebt hatte.
    »Heidenreich war damals im Bereich Esslingen tätig«, informierte er laut.
    »Auch das lässt sich nur schwer nachvollziehen.« Über Mallers Gesicht huschte ein verlegenes Lächeln. »Seine Dienststelle war die Direktion Esslingen, das ist richtig. Er war dort in den Revieren Kirchheim und Nürtingen. Doch es soll auch mehrere Abordnungen gegeben haben.«
    Häberle wurde hellhörig. »Abordnungen? Er war als Uniformierter doch nicht etwa in der Terrorbekämpfung eingesetzt?«
    Maller zögerte. »Er war ein junger Beamter – und was da letztendlich war, kann weder die LPD noch das IM heute noch nachvollziehen. Das ist durchaus verständlich. Und 1979 hat er die polizeiliche Laufbahn beendet.«
    LPD und IM , dachte Häberle. Dabei gab es bei der Landespolizeidirektion und beim Innenministerium gewiss genügend Bürokraten, die doch nichts anderes zu tun hatten, als zu verwalten und Dienstvorschriften zu überwachen – vor allem aber: fernab der Praxis neue zu ersinnen.
    »Wenn man die Sache jetzt weiter betrachtet«, resümierte Häberle, »dann war Flippi ein Bruder von unserem Höhlenforscher Volker Lechner, der ebenfalls zu unseren Kollegen zu zählen ist.«
    »Exkollegen«, berichtigte Maller. »Das war aber schon 1975. Er hat als Streifendienstbeamter in Schwäbisch Gmünd bei Nacht einen Einbrecher

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