Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
sie in die Plastiktasche des Mannes gegeben hatte, fühlte sie sich verunsichert. Die Luft war feucht und kalt.
    »Super machst du das«, beruhigte sie der Mann und reichte ihr einen Helm, um den sich das Gummiband einer Stirnlampe spannte. »Hier, setz den auf«, sagte er. Sie griff wie in Trance danach und drückte ihn sanft in ihr Haar.
    Der Mann stieg wieselflink noch einmal in den Schacht nach oben, fingerte dort nach dem Gitterrost und klappte ihn geräuschlos zu. Verschließbar war er von dieser Seite aus nicht.
    »Hier sind wir in Sicherheit«, behauptete er, als er wieder unten ankam und sich auch einen Helm mit Stirnlampe griff. Die Frau blickte mit versteinertem Gesicht in die Öffnung im Boden, die den reinen Fels erkennen ließ. Im Schein des elektrischen Lichts, das dort unten brannte, wirkte er orange-rötlich bis ockergelb-braun.
    »Da runter?«, fragte sie leise, als habe sie Angst, jemanden zu stören.
    »Mach dir nichts draus«, sprach er mit ruhiger Stimme. »Ich hab uns dort unten was vorbereitet. Hier sind wir sicher – absolut. Zumindest für die nächsten Tage, bis sich dort oben wieder einiges beruhigt hat.« Sie erwiderte nichts. Denn an die Zeit danach wollte sie nicht denken. ›Danach‹ würde es für sie nicht geben. Ganz bestimmt nicht.
     
    Sander hatte sich schnell verabschiedet. Bei allem, was ihm jetzt klar geworden war, erschien ihm die Angelegenheit viel zu brenzlig, um jetzt tatenlos herumzusitzen. Vom Auto aus rief er seine Lebensgefährtin an und verstieß damit gegen sein eigenes Verbot, nicht mehr telefonisch über die Angelegenheit zu reden. Da er sich ohnehin morgen früh Häberle offenbaren wollte, war diese Vorsichtsmaßnahme nicht mehr notwendig. Sollten sie doch mithören, dachte er. Er erklärte Doris, dass er noch einige Dinge abklären müsse und es später werden würde. Dann beendete er das Gespräch, noch ehe sie weitere Fragen stellen konnte.
    Anschließend klickte er im Adressbuch des Handys die Nummer von Sabine Braunstein an, die er sich bei seinem Besuch hatte geben lassen. Er musste ihr jetzt dringend ein paar Fragen stellen. Fragen, die sich durch Heidelindes Erzählungen ergeben hatten. Vier-, fünfmal ertönte das Freizeichen. Sander lehnte sich im Fahrersitz zurück und stützte seinen Kopf ab, der ihm inzwischen brummte. Vor ihm erhellte eine Reihe geschmackvoller Kandelaber die mit Sommerstauden bepflanzten Böschungen der Vorgärten. Unzählige Nachtfalter umschwirrten die Beleuchtungskörper.
    Sander hatte nicht mitgezählt, wie oft das Handy von Sabine geklingelt haben musste. Jedenfalls brach die Serie der Freizeichen ab, und eine dieser Automatenstimmen erklärte, dass er jetzt auf die Mailbox sprechen könne. Der Journalist verzichtete und warf das Handy verärgert auf den Beifahrersitz, schloss die Augen und atmete einige Male tief durch.
    Jetzt oder nie, hämmerte es in seinem Kopf. Jetzt oder nie. Es war kurz vor Mitternacht. Er wollte direkt zur Polizei nach Göppingen fahren.
     
    »Ich geh wieder voraus – und du kommst hinterher«, entschied der Mann und knipste an einer Schalttafel die Leuchtstoffröhre aus. »Wir haben bis zu einer Plattform elektrisches Licht«, erklärte er, während der Raum jetzt nur schemenhaft durch die Beleuchtung des naturbelassenen Lochs erhellt wurde.
    »Wie besprochen«, fuhr der Mann fort und reichte ihr feste Handschuhe. Auch er zog sich ein Paar an. »Hier senkrecht runter, wie gerade eben.« Er deutete in das Loch. »Aber pass auf, jetzt wird es feucht. Feucht und glitschig. Schmierig. Halte dich fest – steig ganz konzentriert runter. Ist kein Problem, hab ich dir doch gesagt. Da sind schon ganz andere runter.«
    Die Frau antwortete nicht.
    »Wenn du den senkrechten Teil hinter dir hast, geht’s im 45-Grad-Winkel weiter runter. Dort musst du dich umdrehen – verstehst du?«
    Sie sah dem Mann wortlos in die funkelnden Augen.
    »Verstehst du?«, wiederholte er hartnäckig.
    »Ja, ich muss mich umdrehen.«
    »Wenn du den senkrechten Teil hinter dir hast, hab ich gesagt«, wiederholte er gereizt. »Denn diese schiefe Ebene musst du auf dem Rücken und mit den Beinen voraus überwinden.« Er wartete, um dann noch einmal zu erklären: »Rückenlage, Beine voraus und dich mit Füßen und Händen nach unten schieben. Ist ganz einfach. Aber das musst du tun. Ich kann dir nicht helfen. Ist harmlos – da gibt es überall Licht.«
    »Und dann?« Ihr wurde kalt. Sie spürte die feuchte Luft in Nase und

Weitere Kostenlose Bücher