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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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stockbesoffen in der Gegend campiert.«
    Das Interesse der beiden Kollegen hielt sich in Grenzen, und Häberle wandte sich wieder an Speckinger: »Ihr habt’s abgecheckt?«, wiederholte er geduldig.
    »Ja, das Fahrzeug ist zugelassen auf eine Frau, die uns auch schon mal über den Weg gelaufen ist – Katrin Fellhauer.«
    Häberle überlegte kurz, wo er diesen Namen gelesen hatte. »Katrin Fellhauer – ist das nicht unsere Mondwanderin? Die nach dem Lagerfeuer noch ein bisschen dort oben rumgelaufen ist?«
    »Exakt«, bestätigte Speckinger. »Ob das Rumwandern ganz so plan- und ziellos war, wird sich wohl klären lassen.«
    »Du meinst, Ziel könnte ein kleines Zelt gewesen sein?«, begriff Häberle sofort.
    Und Linkohr, der sogleich kapiert hatte, worum es ging, konnte sich seinen Allerweltsspruch nicht verkneifen: »Da haut’s dir ’s Blech weg.«

50.
    Der Gitterrost ließ sich mühelos hochheben. Der Mann, der einen orangefarbenen Overall trug, bei dem es sich in Wirklichkeit um ein wasserabweisendes und reißfestes Kleidungsstück handelte, das die Fachleute »Schlaz« nannten und an dem ockergelber Lehm verkrustet und schwer klebte, war von der Straße her durch ein Privatgrundstück zur Rückseite einer Garage gegangen. Obwohl der schmale Weg im Streulicht einer Straßenlampe nur andeutungsweise zu erkennen war, ging er zielstrebig auf sein Ziel zu. Oft schon hatte er sich hier aufgehalten. Auch jetzt, in dieser lauen Sommernacht, in der der Himmel nie ganz dunkel wurde, brauchte er kein Licht. Die Frau hinter ihm, die sich vor dem Auto ebenfalls einen Schlaz übergezogen hatte, folgte ungelenk und unsicher, denn ihre mit Lehm verkrusteten Wanderschuhe waren eine Nummer zu groß.
    In dem Einfamilienhaus, das an die Garage angrenzte, brannte hinter einem Fenster Licht. Der Mann blieb kurz stehen, um sich zu vergewissern, dass die Vorhänge zugezogen waren und sie niemand beobachtete. Er war beruhigt, denn solange sie sich hier im nachtfinstren Schatten aufhielten, den die Garage im Schein der Straßenlampe warf, blieben sie nahezu unsichtbar. Er deutete seiner Begleiterin an, dass er als Erster in diesen Schacht steigen werde und sie ihm folgen solle – genau so, wie sie es vorhin bei der Herfahrt besprochen hatten. Ihr kam es so vor, als gleite der Mann trotz einer umgehängten Plastiktasche katzenartig in den Schacht, an dessen Rundung Trittstufen aus Eisen eingelassen waren. Sie führten nur drei Meter tief in einen betonierten Raum unter der Garage hinab. Hier war man beim Aushub auf den Einstieg eines riesigen Höhlensystems gestoßen, das in Anlehnung an den Gewann-Namen schon bald ›Laierhöhle‹ genannt wurde. Es war ein Glücksfall gewesen, dass der Hausbesitzer den Höhlenforschern einen Zugang über den künstlichen Schacht neben der Garage geschaffen hatte. Durch deren Unterkellerung war es jederzeit möglich, in die Höhle hinabzusteigen, ohne den Hausbesitzer behelligen zu müssen.
    »Jetzt du!«, hörte die Frau die energische Stimme des Mannes durch das schmale Betonrohr hallen. Sie kniete sich rückwärts vor das Loch, klammerte sich mit beiden Händen an zwei Griffe und suchte mit dem linken Fuß Halt an einer der Trittstufen. Als sie endlich den Widerstand spürte, verlagerte sie ihr ganzes Gewicht darauf, um den anderen Fuß auf die tiefer liegende Stufe stellen zu können. Doch jetzt reichten ihre Arme nicht mehr, um die Griffe umklammern zu können. Für eine Sekunde zögerte sie, doch dann löste sie eine Hand und suchte mit ihr an einer der Trittstufen Halt, die andere Hand umfasste die Rundung des Schachteinstiegs. »Sehr schön, sehr gut«, lobte der Mann. Ihre Knie zitterten. Als sie weiter hinabgestiegen war und die ersten Trittstufen dicht vor ihren Augen auftauchten, atmete sie den Geruch feuchter Erde. »Noch zwei Stufen«, hallte die Männerstimme. Sie konzentrierte sich auf die nächsten Tritte. Unten draufstehen, oben das nächste Eisen umklammern.
    Sie hatte es geschafft. Der betonierte Raum, in dem der Mann eine Leuchtstoffröhre angeknipst hatte, war etwa so groß wie die Garage über ihnen. An eine Wand waren Regale geschraubt, die als Ablage für gelbe Schutzhelme dienten, die ebenso mit dieser ockergelben Kruste überzogen waren wie ein kleiner Pickel und die Schlaze, die an einem Haken hingen. Ein paar Schritte entfernt klaffte ein Loch im roh belassenen Betonboden. Die Frau wich erschrocken zurück. Beinahe hätte sie es übersehen. Ohne ihre alte Brille, die

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