Glasklar
Teenageralter nicht zu sagen getraut hat, wie sehr man in sie verknallt war.« Er legte eine Pause ein. »Damals war das ja noch ein bisschen anders als heute. Heut sagt man’s direkt.«
»Natürlich hat man auch in kleinen Gruppen miteinander geredet«, räumte Bayreuter ein, wohl wissend, worauf Watzlaff hinauswollte. »Aber mir wäre nicht aufgefallen, dass jemand sich gestritten hätte.«
»Uns interessiert auch nur Heidenreich«, hakte Häberle ein. »Wer hat denn bei ihm und seiner Freundin gesessen?«
»Das hat gewechselt«, erklärte Bayreuter, »wir haben ja gegrillt, und da hat sich die Sitzordnung immer wieder geändert. Außerdem …«, überlegte er kurz, »die Sabine, also Werners Neue, wenn man so will, scheint mir nicht gerade eine beliebte Gesprächspartnerin gewesen zu sein. Jedenfalls hat sie immer wieder versucht, tiefschürfende politische Gespräche zu provozieren. Um ehrlich zu sein, das hielt ich für nicht angebracht.«
Häberle befürchtete, dass keine weiteren Erkenntnisse mehr gewonnen werden konnten. Er bat die beiden Männer, sich im Laufe des Nachmittags bei der Göppinger Polizeidirektion zu melden, wo Kollegen der Sonderkommission ein Protokoll anfertigen würden. Er erhob sich, was dann auch die anderen taten, und bedankte sich für die Bereitschaft seiner Besucher, so schnell zu ihm heraufgekommen zu sein. Während er und Watzlaff sie auf die terrassenartige Fläche hinausbegleiteten, die sich in der Vormittagssonne bereits stark aufgeheizt hatte, schob Häberle noch eine Frage nach. »Sie haben gegrillt, sagen Sie«, er wandte sich an Bayreuter, der wieder seinen Rangerhut aufsetzte und nun mit Brandt unvermittelt stehen blieb. »Was gab’s eigentlich?«
»Was es gab?« Bayreuter war irritiert. »Schweineschnitzel und Pute. Zumindest, was ich so gesehen hab. Manche hatten sicher auch Bratwürste dabei. Weshalb fragen Sie?«
»Dazu braucht man einen Rost und Spieße …«
»Ach so«, rang sich Bayreuter ein Lächeln ab. »Spieße. Die schnitzt man sich an einem solchen Abend aus Holz. Oder man bringt diese Dinger mit, die sich wie Teleskopstäbe ausfahren lassen. Aber sagen Sie …« Er zögerte. »Wurde Herr Heidenreich mit einem Grillspieß erstochen?«
Häberle ließ ein paar Augenblicke verstreichen. »Nein – mit einem Küchenmesser.«
Bayreuter sah von Häberle zu Watzlaff und Brandt. »Mit einem Küchenmesser?« Es war ihm, als schnüre ihm jemand die Kehle zu.
»Mit einem einfachen Küchenmesser«, bekräftigte Häberle und glaubte, in Bayreuters Gesicht eine seltsame Veränderung beobachtet zu haben. »Erstaunt Sie das?«
Bayreuter holte tief Luft. »Nein, nein – überhaupt nicht.« Er ging zögernd zu den Ausflüglern weiter, deren Schlange vor dem Verkaufsfenster länger geworden war. Brandt folgte ihm.
Watzlaff blieb mit Häberle zurück und beobachtete, wie die beiden durch den überdachten Durchgang zwischen Anbau und Gaststättengebäude verschwanden.
»Was ist denn jetzt los?«, fragte Watzlaff, ohne von Häberle eine Antwort zu erwarten.
7.
Sander war eingetroffen. Er ging mit seiner Partnerin Doris auf das Wasserberghaus zu, wo sie unterwegs Gustav und Uli trafen, die ihnen von ihrem Gespräch mit Häberle berichteten.
»Der scheint ganz nett zu sein«, bemerkte Uli, obwohl er natürlich wusste, dass sich der Journalist und der Chefermittler seit vielen Jahren kannten.
Gustav Brandts Vorschlag, später in der Gaststätte ein Weizenbier zu trinken, stieß auf allgemeine Zustimmung. Sander und Doris bahnten sich einen Weg durch die Ausflüglerschar. Dann jedoch erspähte Sander den Kriminalisten und den Revierleiter, die gerade aus dem Anbau herüberkamen. Als sie Blickkontakt aufgenommen hatten, deutete Häberle mit einer Armbewegung an, dass sie gleich mit in das Nebengebäude kommen sollten. Sie begrüßten sich, und die beiden Polizisten frotzelten, dass Sander nun endlich nicht nur über einen Kriminalfall schreiben dürfe, sondern mittendrin sei, vielleicht sogar die Hauptperson. »Möglicherweise sind Sie befangen«, grinste Häberle und führte die beiden zu dem Holztisch, um den herum sie Platz nahmen.
Doris hatte die Beamten schon vor geraumer Zeit kennengelernt und ohnehin längst die Scheu vor Uniformierten und Kriminalisten verloren.
»Sie waren verdammt nah dran«, meinte Watzlaff. »Und wir erwarten von Ihnen, dass Sie natürlich ein besserer Zeuge sind als all die anderen.« Der Revierleiter konnte sehr direkt und ernst
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