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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Watzlaff, der sich an der Stirnseite des Tisches ruhig verhalten und zugehört hatte. »Hilscher«, staunte er, »der gehört auch zu euch?«
    Brandt bestätigte dies und strich sich über den dünnen Backenbart. »Ich hab ihn vorhin versucht anzurufen, aber er meldet sich nicht. Ihm fallen vielleicht als Polizist noch ein paar Dinge mehr ein.«
    Revierleiter Watzlaff lehnte sich zurück. Er stand, was den Brustumfang anbelangte, dem Chefermittler in nichts nach.
    Häberle versuchte, sich die nächtliche Situation vorzustellen. »Wie viel hat Herr Heidenreich getrunken?«
    Bayreuter zuckte mit seinen breiten Schultern. »Keine Ahnung. Aber ich kann wohl sagen, dass kein Mensch richtig betrunken war. Keiner von uns trinkt bei solchen Festen übermäßig viel Alkohol.«
    »Und anschließend bei Ihnen drüben?«, bohrte Häberle weiter und blickte Brandt ins Gesicht.
    »Ebenfalls nicht«, erklärte der Angesprochene, »die meisten von uns mussten anschließend noch fahren.«
    Als ob dies jemals ein Argument gewesen wäre, durchzuckte es den Chefermittler. Allerdings glaubte er diesen beiden Männern, dass sie das Argument ernst nahmen. Sie machten auf ihn einen äußerst seriösen Eindruck – und was sie besonders sympathisch erscheinen ließ: Sie wirkten wie Burschen aus echtem Schrot und Korn, zwei Männer, die auf den ersten Blick auch Landwirte hätten sein können, die ganz klare Vorstellungen zu haben schienen von dem, was sie wollten. Einer schien den anderen zu ergänzen – und doch waren sie beruflich völlig unterschiedlich orientiert, wie Häberle bei der kurzen Frage nach ihren Personalien erfuhr. Dass Bayreuter eine große Berufsschule leitete, hätte er nicht vermutet. Viel zu leger war sein Umgangston und viel zu leutselig gab er sich. Die meisten Pädagogen, die er bisher kennengelernt hatte, waren unnahbar, abgehoben, arrogant oder weltfremd. Es verwunderte ihn auch, dass Gustav Brandt, der Waldbesitzer, im Management eines der größten Betriebe weit und breit saß, ein Nadelstreifenträger, der in seiner Freizeit mit der Motorsäge im Wald unterwegs war und möglicherweise sogar einen Traktor besaß, dachte Häberle und fühlte sogleich noch mehr Sympathie für ihn.
    »Wie ist dann die Gesangsgruppe heimgegangen?«, konzentrierte er sich wieder auf seine Ermittlungen.
    »Nicht gemeinsam«, erklärte Brandt. »Ein harter Kern, vier oder fünf – auch ich – sind noch beim Wirt sitzen geblieben. Bis um halb fünf, glaub ich. Die anderen sind nach und nach aufgebrochen. Einige hatten auch ihre Ehefrauen dabei.«
    »Am meisten würde mich natürlich interessieren, wann Herr Heidenreich das Haus verlassen hat.«
    Brandt überlegte ein paar Sekunden. »Das hab ich mich inzwischen auch gefragt. Er war vielleicht noch eine Stunde bei uns – und irgendwann war er dann weg.«
    »Das heißt, man hat sich auch von ihm nicht verabschiedet?«
    »Ich habe das nicht mehr parat.«
    Jetzt griff Watzlaff in das Gespräch ein: »Wie? Sie kennen sich gut, sind Sangesbrüder – und dann läuft er einfach so weg?«
    Brandt vermochte am Gesichtsausdruck des Revierleiters nicht abzulesen, ob sein energischer Tonfall ernst gemeint war oder ob er lediglich seine Zweifel durchklingen lassen wollte. »Zu dieser vorgerückten Stunde«, erwiderte er daher, »geht schon mal der ein oder andere raus, um frische Luft zu schnappen oder die Toilette zu beutzen. Einige wollen auch draußen rauchen. Bei so vielen Leuten herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Da achtet man nicht so genau darauf, wer sich wann so aufhält.«
    Watzlaff gab sich zufrieden. Auch er konnte sich die Situation vorstellen, schließlich war er ebenfalls ein geselliger Mensch, der nicht selten in gemütlicher Runde bis spät nachts sitzen blieb.
    Häberle erkannte, dass es tatsächlich schwierig sein würde, die letzten Minuten im Leben des Opfers zu rekonstruieren. »Ist Ihnen an Herrn Heidenreich im Laufe des Abends irgendetwas merkwürdig vorgekommen?«, fragte er trotzdem.
    Die beiden Schulkameraden sahen sich an und schüttelten die Köpfe.
    »Man kann an so einem Abend auch keine tiefschürfenden Einzelgespräche führen«, gab Bayreuter zu bedenken. »Man erzählt in Gruppen, singt und lacht über uralte Streiche.«
    Watzlaff warf ein: »Manche unterhalten sich vielleicht doch intensiver. Den einen hat man früher schon sympathischer gefunden als den anderen. Und man fühlt sich vielleicht auch zu der einen oder anderen Frau hingezogen, der man im

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