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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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werden, wenn er mit einem sprach. Hätte ihn der Journalist nicht schon eine halbe Ewigkeit gekannt, wäre er über den Tonfall möglicherweise erschrocken gewesen.
    »Wir werden unser Möglichstes tun«, sagte der Journalist und sah seine Partnerin von der Seite an. »Aber wir haben uns auf der Fahrt hierher schon den Kopf zerbrochen – wir haben gar keine Idee, was da passiert sein könnte.«
    »Was passiert ist, wissen wir ziemlich genau«, erklärte Häberle. Unter seinen Achseln hatten sich Schweißflecke gebildet. »Werner Heidenreich wurde wohl, kurz nachdem er sich auf den Heimweg gemacht hatte, da drüben an eurem ›Mammut‹ erstochen.«
    »An unserem ›Mammut‹ – wie das klingt …«
    »Ist doch eurer, oder?«, mischte sich Watzlaff wieder ein. »Steht zumindest auf dem gravierten Schild.«
    »Das will ich doch auch gar nicht bestreiten«, gab Sander zurück. »Aber es klingt so, als ob unser ›Mammut‹ etwas damit zu tun hätte.«
    »Weiß man’s?«, gab Häberle zu bedenken. »Es hat doch schon mal einen … na, sagen wir, Zwischenfall gegeben.« Seinem Gesicht war anzusehen, dass er diese Bemerkung nicht allzu ernst verstanden haben wollte.
    Sander und seine Partnerin sahen sich an. »Was heißt Zwischenfall. Irgendjemand hat den Baum geklaut – aber das liegt schon Jahre zurück, und keiner weiß so genau, was dahintersteckte.«
    »Die Story ist uns bekannt«, beendete Watzlaff dieses Thema.
    »Wie gut waren Ihre Kontakte zu Heidenreich?«, wollte der Chefermittler wissen.
    »Ziemlich gering«, erklärte Sander und fühlte sich plötzlich nicht mehr wohl in der Rolle des Befragten. Er war es gewohnt, selbst die Fragen zu stellen. Für einen Moment überlegte er, ob er seinen Notizblock herausziehen sollte. Dann aber wurde er sich bewusst, dass er nicht in seiner Eigenschaft als Journalist hier war. »Werner zählte zu jenen, die man meist nur einmal im Jahr sah, nämlich hier beim Sommernachtsfest. Und dann gab er sich relativ wortkarg.«
    Doris nickte zustimmend.
    »Wie war das gestern Abend?«, hakte Häberle nach.
    »Genauso. Ich bin eigentlich nur einmal mit ihm ins Gespräch gekommen, als wir raufgelaufen sind. Und dabei drehte es sich um die Eisenbahn.«
    »Das hat ihn wohl sehr beschäftigt?«
    »Seit Langem schon, das kann man sagen. Wir haben uns immer gewundert, dass er sich als Beamter so stark gegen den Plan eines staatlichen Unternehmens eingesetzt hat.«
    Watzlaff bemerkte knapp: »Wieso denn? Auch ein Beamter hat eine eigene Meinung. Warum soll er sich nicht gegen eine Sache engagieren, wenn er sie persönlich für Schwachsinn hält?«
    Sander wollte die Bemerkung nicht aufgreifen. Denn genau diese Einstellung schätzte er an Watzlaff: Frei die Meinung sagen, nicht duckmäusern, sondern die Tatsachen beim Namen nennen. Der Mann war ein positives Beispiel für Ordnung und Gerechtigkeit, für gelebte Demokratie und Zivilcourage. Gerade diese war notwendig in einem Land, in dem im Hintergrund die Fäden gezogen wurden und es innerhalb einer Behörde im Interesse des beruflichen Fortkommens für angeraten erschien, der richtigen Partei anzugehören, zumindest aber, sich nicht deren Zielen zu widersetzen. Ab einem bestimmten Alter jedoch, wenn die höchstmögliche Stufe der Karriereleiter erreicht war und die Pension in greifbare Nähe rückte, zogen Drohungen dieser Art nicht mehr.
    »Wie hat man sich denn Heidenreichs Kampf gegen das Bahnprojekt vorzustellen?«, fragte Häberle.
    »Er hat innerhalb der Naturschutzverbände gekämpft – zuerst gegen das Projekt überhaupt und nun gegen die Art und Weise, wie die Baustellen eingerichtet werden. Ich weiß nicht, ob Sie sich schon mal damit befasst haben, was ein 14 Kilometer langer Tunnel bedeutet.«
    Häberle zuckte mit den Schultern. Er konnte sich sehr wohl vorstellen, welch logistischer Aufwand notwendig sein würde. Denn vor einem Jahr war er im schweizerischen Sedrun gewesen, wo die ›Alpentransversale‹ gebaut wurde – der 60 Kilometer lange Gotthard-Eisenbahn-Tunnel. Sedrun in einem einsamen Hochtal war einer der Orte, von denen aus ein sogenannter Zwischenangriff erfolgte. Denn weil ein Tunnel von solcher Länge nicht einfach an einem Stück durchgebohrt werden kann, bedarf es einzelner Teilabschnitte. In Sedrun war dazu zunächst ein 400 Meter tiefer Schacht gegraben und von dort unten die Trasse in beiden Richtungen gebohrt worden. Häberle hatte dies im Besucherinformationszentrum bestaunen können und ihm war bis

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