Glasklar
Ausbildungszeit, die später etwas anderes gemacht hatten – bei Sicherheitsdiensten gelandet waren oder sich für ein Jurastudium entschieden hatten, um jetzt als Anwalt tätig zu sein.
»Gab es bei Herrn Heidenreich in letzter Zeit berufliche Probleme?«, kehrte Specki wieder zum Thema zurück.
Sie holte tief Luft und schloss die Augen. »Sie fragen mich Dinge, die ich nicht beantworten kann. Werner hat selten über seine Arbeit gesprochen. Mich hat das, um ehrlich zu sein, nicht sonderlich interessiert. Auch nicht, was er sonst noch getan hat.« Sie überlegte, wie sie es formulieren sollte. »Mein geschiedener Mann hat immer nur von seiner Arbeit geredet. Ich konnte das nicht mehr hören.«
Specki gab mit einer Geste zu verstehen, dass er dies nachvollziehen konnte. »War Werner Heidenreich denn auch geschieden?«
Sie nickte wieder und sah ihn mit ihren großen, geröteten Augen an. »Ja. Wir waren beide auf der Suche nach einem neuen Leben.« Sie kämpfte mit den Tränen und schluckte.
»Ich will Sie nicht länger quälen«, blieb Specki zurückhaltend. »Aber wäre es möglich, dass es etwas in seinem Leben gegeben hat, das mit dieser Tat zu tun haben könnte?«
»Sie meinen jemanden, der ihn umbringen wollte?«, fragte Sabine Braunstein schnell nach.
»Ja, das mein ich«, erwiderte der Kriminalist, während der Seelsorger noch immer wortlos dem Dialog folgte.
»Er hat nie so etwas geäußert«, erwiderte sie kühl und auffallend zurückhaltend, wie Speckinger fand. »Auch wenn …«
Specki sah sie aufmunternd an, ließ ihr aber Zeit.
»Na ja«, fuhr sie schließlich fort, »die Sache mit der Eisenbahn hat ihn ziemlich beschäftigt.«
»Eisenbahn?«
»Er hat sich in dieser Bürgerinitiative starkgemacht, die gegen die Schnellbahntrasse da drüben kämpft. Für meine Begriffe ein bisschen übertrieben. Ich hab mich manchmal gewundert, warum er dies tut.«
Specki hatte von der Bürgerinitiative gelesen. Obwohl das Vorhaben nicht mehr zu verhindern war, gab es noch immer erhebliche Widerstände – vor allem gegen die Baustelle, die das riesige Projekt in den nächsten Jahren nach sich ziehen und damit mehrere Gemeinden beeinträchtigen würde.
»Sie meinen, da könnte er sich Feinde gemacht haben?«
»Werner hat für den Naturschutz gekämpft. Hart gekämpft«, betonte sie, als wolle sie ihn in Schutz nehmen. »Er hat jede freie Stunde damit verbracht. Denn ihm war sehr daran gelegen, dass der Mensch nicht noch mehr Landschaft verbraucht. ›Die Natur wird sich eines Tages rächen‹, hat er immer gesagt.« Wieder sah sie zu den Hängen hinüber.
»Gibt es jemanden, mit dem er sich – sagen wir mal – wegen dieser Sache gestritten hat?«
Sie überlegte. »Die Bahn, die Projektleiter – was weiß ich. Aber ich denke, Sie werden den gesamten Schriftverkehr dazu in seinem Computer finden, falls Sie den überprüfen.«
Natürlich würden sie das tun, dachte Specki. Computer, Handy, Telefonverbindungen, Kreditkartenabrechnungen – das waren heutzutage regelrechte Fundgruben, was die persönlichen Daten einer Person betraf. Häberle hatte dies bestimmt bereits eingeleitet.
»Und was seinen Job anbelangt?«, versuchte der Kriminalist noch einmal, einen weiteren Aspekt anzusprechen, der ihm vorhin schon durch den Kopf gegangen war.
»Job?«, echote die Frau, als sei ein Zusammenhang mit dem Verbrechen an ihrem Lebensgefährten völlig abwegig. »Mein Gott, Herr Speckinger, wie soll ich das wissen? Werner hat sich nicht mit den ›kleinen Fischen‹ abgegeben, sondern mit den ganz großen.« Sie hielt für einen Moment inne, um mit dem Seelsorger Augenkontakt aufzunehmen, der ihr mit einem leichten Kopfnicken zu verstehen gab, dass sie ruhig weiterreden sollte.
»Sie haben angedeutet, dass er auch sonst noch etwas gemacht hat …«, hakte der Kriminalist vorsichtig nach.
»Ich weiß nur«, fuhr sie kühl fort, »dass er manchmal wochen- oder monatelang an einer Sache dran war, wenn es um große Millionenbeträge ging. Sie ahnen doch selbst, was heutzutage alles verschoben wird. Die Liechtenstein-Affäre vor ein paar Wochen hat’s doch gezeigt.«
Specki war froh, dass sie dieses Stichwort selbst gegeben hatte. »War er denn in diese Sache auch eingebunden?«
»Irgendwie wohl schon«, antwortete sie, ohne zu zögern, »aber er hat nie Näheres erzählt, falls Sie das meinen.«
Specki war zufrieden. Er würde sich diese Namen besorgen. Er war gerade im Begriff, aufzustehen und den
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