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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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löffelte einige Sekunden sein Eis stumm in sich hinein und registrierte, wie schnell das menschliche Gehirn auf ein paar Stichworte hin reagieren und die richtigen Dateien öffnen konnte. Das tief Verborgene wurde dann plötzlich lebendig, als sei es gestern erst passiert. Was musste nicht alles in den Tiefen des menschlichen Gehirns schlummern und bedurfte nur eines einzigen Stichworts, um ungeahnte Reaktionen auszulösen? Stundenlang hatte er schon in den Gerichtssälen den Psychiatern und Neurologen zugehört, wenn sie als Sachverständige einen Angeklagten analysieren mussten. Er suchte jetzt schnell einen Anknüpfungspunkt an das Gespräch. »Ja, da dürften Sie recht haben. Alte Feindschaften deckt der Lauf der Zeit zu«, sagte er schließlich. »Das ist in Ihrem Kreis auch so?«
    »Natürlich«, erwiderte Starz. »Jeder macht seine eigene Entwicklung durch. Und interessant ist, dass wir alle lange unsere eigenen Wege gegangen sind – aber so etwa ab dem 50. Geburtstag hat sich dann eine Gruppe herauskristallisiert, die sich mehr oder weniger regelmäßig trifft und die solche geselligen Veranstaltungen organisiert, zu denen immer mal wieder weitere Ehemalige hinzustoßen, die bis dahin abseitsgestanden haben.«
    »Und manche sind sogar froh, darin einen Halt zu finden – nach Schicksalsschlägen, vor denen man nicht gefeit ist«, fügte Frau Steinhaus an.
    Der Kriminalist überlegte, dass auch dies ein weites Betätigungsfeld für Psychiater sein konnte. Er wollte sich jetzt aber auf keine Diskussion einlassen, denn auf seinem Notizblock standen noch die Namen weiterer Personen, die im Laufe des Nachmittags überprüft werden mussten. Er winkte deshalb der Bedienung und bezahlte.
    »Nur noch eines«, kam er noch einmal auf den Fall zurück, während er das Wechselgeld einsteckte. »Hatten Sie vergangene Nacht ein Messer dabei?«
    Die beiden sahen sich an, als seien sie gerade des Mordes beschuldigt worden. Ihre Gesichter verloren alle Farbe. Die Frau hatte sich zuerst wieder gefangen. »Sie fragen uns nach einem Messer?« Sie deutete ein verkrampftes Lächeln an.
    »Ein Messer, ja«, wiederholte Speckinger. »So ein Küchenmesser, wie man es für gewöhnlich benutzt, um Wurst, Fleisch oder Obst zu schneiden.«
    »Mit so einem ist Werner erstochen worden«, sagte Frau Steinhaus, um klarzustellen, dass sie und ihr Begleiter sehr wohl wussten, worauf der Kommissar hinauswollte.
    Speckinger nickte. »Reine Routinefrage«, versuchte er seine Gesprächspartner zu beruhigen, doch konnten diese ihre innere Unruhe nicht verbergen.
    »Wir haben ein Küchenmesser gesehen und es benutzt«, erklärte die Frau selbstbewusst. »Es lag zur allgemeinen Benutzung auf dem Biertisch – ein paar Meter von der Feuerstelle entfernt.«
    »Lag es denn noch da, als Sie gegangen sind?« Speckinger war sich bewusst, dass es eine provokante Frage war.
    Monika Steinhaus betrachtete sie als persönlichen Angriff. Entsprechend reagierte sie: »Glauben Sie denn im Ernst, wir hätten es mitgenommen?«
    Starz machte den Eindruck, als wolle er vollends in seinem Polsterstuhl versinken.
     
    Lokaljournalist Georg Sander hatte sich inzwischen von seiner Freundin in die Redaktion fahren lassen. Sie nahm den Wagen wieder mit, um die Zwillingspatenkinder Anabel und David auf der Alb zu besuchen. Dass Georg den schönen Sommernachmittag im Büro verbringen musste, war zwar ärgerlich, kam aber glücklicherweise höchst selten vor. Sander traf den Sonntagsdienstler an, der angesichts des unerwarteten Geschehens in helle Aufregung geraten war. Das Verbrechen würde seine gesamte Layoutplanung zerstören, mit der er sich bereits seit Montag vergangener Woche auseinandergesetzt hatte. Sonntagsdienste waren in der kleinen Zeitungsredaktion von den meisten Redakteuren gefürchtet, weil dann einer alles machen, vor allem aber mit der unberechenbaren Computertechnik kämpfen musste. Und dies unter permanentem Zeitdruck. Ein einziges unvorhergesehenes Ereignis – und die gesamte Tagesplanung geriet ins Wanken.
    »Keine Sorge«, beruhigte Sander deshalb seinen Kollegen Thomas Grün, der schon im Begriff war, hinter seinem voll beladenen Schreibtisch hervorzustürzen, um spontan Amok zu laufen. »Halt mir den üblichen Platz frei«, bat Georg ruhig und strich sich mit der Hand durch die Haare.
    »Deine Gelassenheit möchte ich mal haben«, antwortete ihm der hochgewachsene Grün, der an diesem späten Sonntagnachmittag mühsam die Zeitungsseiten

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