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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Rückkehr vom Wasserberg hatten sie sich in Brandts Wintergarten zurückgezogen, in dem es trotz geöffneter Fenster drückend heiß war. »Werner ist etwa gegen halb drei gegangen, da bin ich mir ganz sicher«, wiederholte Gustav, während er seinem Gast Apfelsaft einschenkte. »Aber wie das genau war, daran erinnere ich mich nicht mehr.«
    »Und du bist sicher, dass auch keinem aus eurer Gesangsgruppe etwas aufgefallen ist?«, versuchte Bayreuter noch einmal, seinem alten Schulfreund auf die Sprünge zu helfen.
    »Ich hab sie alle angerufen. Im Übrigen …«, Brandt lehnte sich zurück und verschränkte die Arme, »wer kann denn behaupten, irgendeiner aus unserer Gesangsgruppe oder von unseren Schulkameraden sei in die Sache verwickelt? Wenn ich mir überlege, wie viele Gäste dort oben im Haus waren und wie viele draußen rumgelaufen sind – mein Gott, Uli, da kämen Hunderte infrage.«
    »Vergiss das Messer nicht«, beschied Bayreuter. »Ich hab den Eindruck, die Polizei versucht, sich daran festzubeißen.«
    Brandt ließ ein paar Sekunden verstreichen. »Es ist das Einzige, was sie hat. Andererseits …«, er beugte sich nach vorne und griff nach dem Wasserglas, »werden sie mit Sicherheit auch Werners Vergangenheit beleuchten.«
    »Vergangenheit und Gegenwart«, meinte Bayreuter gelassen, während Gustav Brandt einen kräftigen Schluck nahm. »Sowohl seine als auch unsere. Wahrscheinlich findet sich bei jedem ein Grund, ihn umzubringen.«
    Brandt sah seinen alten Freund verständnislos an und wusste nicht so recht, ob diese Bemerkung ironisch aufzufassen war. »Also, um ehrlich zu sein, ich für meinen Teil kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum man eine Abneigung gegen ihn gehabt haben sollte.«
    »Auch nicht, wenn du einige Euro nach Liechtenstein oder in die Schweiz transferiert hättest?« Auf Bayreuters Gesicht zeichnete sich ein schelmisches Lächeln ab.
    »Du vielleicht«, gab sein Freund zurück. »Ich glaub mal, dass solche Beträge, wie wir beide sie uns zur Seite legen können, für Werners Job nur Peanuts waren.«
    Bayreuter zuckte mit den breiten Schultern und schlug die Beine lässig übereinander. »Mag sein. Aber wir dürfen nicht nur von uns ausgehen. Was wissen wir schon wirklich von unseren ehemaligen Schulfreunden? Vielleicht hatte Werner ja einen Grund, letztes Jahr plötzlich wieder bei uns aufzutauchen.«
    Brandts Augen verrieten Interesse. »Du meinst, er hat jemanden ausspioniert – dienstlich?«
    »Weiß man’s?« Bayreuter legte wieder jene Lässigkeit an den Tag, die Brandt stets an den Abenteurer aus der Zigarettenwerbung erinnerte, der seinen Zuschauern suggerierte, Freiheit und Natur habe etwas mit Qualmen zu tun. »Immerhin ist Werners berufliche Laufbahn doch ziemlich undurchsichtig.«
    »Aber er war an den ganz großen Steuerhinterziehern dran«, versuchte Brandt, die Spekulationen seines Freundes einzudämmen.
    »Hat er gesagt. Aber vielleicht hat er auch dich im Visier gehabt. Du hast keinen schlechten Job, vielleicht sogar den besten von uns allen – und du bist Großgrundbesitzer, wenn ich das mal so sagen darf.«
    Brandt überlegte. Seit Stunden hatten sich ihre Gespräche nur um Werner gedreht – und nun brachte sein Freund völlig neue Aspekte ins Spiel. »Großgrundbesitzer«, wiederholte er mit einem Anflug von Verständnislosigkeit. »Wegen meiner paar Hektar Wald da oben? Uli, die Zeiten, als man mit Holz noch Geld verdienen konnte, sind längst vorbei. Ich muss froh sein, wenn es bei der Durchforstung in diesem Gelände plus/minus auf null rausgeht.«
    Bayreuter ging nicht darauf ein. Dafür setzte Brandt das Gespräch fort: »Aber wenn wir schon die Sache mit dem Ausspionieren in Erwägung ziehen, wer sagt uns denn, dass es allein um Steuern und ums Geld ging? Denk mal an Werners Vergangenheit. Vielleicht hat er in unseren Kreisen eine ganz andere Aufgabe gehabt.«
    Bayreuter ließ seinen Blick an den vielen Grünpflanzen entlangschweifen, die dem Wintergarten ein mediterranes Flair verliehen. »Und was würdest du darunter verstehen?«
    »Na ja«, überlegte Brandt, der in seinem langen Berufsleben gelernt hatte, die besten Argumente bis zum Schluss zurückzuhalten. »Auch ein Lehrer macht ja gelegentlich Bemerkungen, die die Neugier gewisser staatlicher Organe hervorrufen könnten, oder es gibt in seiner Vergangenheit vielleicht etwas, das, sagen wir mal, bis in die Gegenwart wirkt.«
    Bayreuter bückte sich vor und prüfte den korrekten Sitz

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