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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hat. Dies lässt sich bis zu einem gewissen Grad abschmelzen. Aber ich bin davon überzeugt, dass immer mehr Bürger merken, wie ihr mühsam Erspartes wieder in den Geldkreislauf zurückfließt. Hast du schon mal ausgerechnet, wie viel von deiner Pension allein fürs Heizen draufgehen wird? Da wird es dir schwindlig.«
    Hilscher staunte über die deutlichen Worte seines Schulfreundes. »So, wie du von den Multis redest«, resümierte der Polizeibeamte, »könnte man fast meinen, du bist ein Achtundsechziger, die ja auch gegen die Etablierten gewettert haben.«
    Neusser lächelte. »Dafür waren wir damals zwei, drei Jahre zu jung. Aber dass Unzufriedenheit und politischer Fanatismus gefährlich enden können, hat sich in unserer Republik nicht nur einmal gezeigt.«
    Hilscher überlegte. »Du meinst die 70er?«
    Neusser warf einen Seitenblick auf Brigitte und bestätigte: »Schleyer, Ponto, Buback«, zählte er schnell auf. »Ich brauch ja wohl nichts dazu zu sagen.«
    Sein Schulfreund machte ein betroffenes Gesicht. Damals war er ein junger Polizist gewesen und hatte angesichts der verheerenden Anschläge sogar in Erwägung gezogen, den Job an den Nagel zu hängen. Womöglich war es Werner Heidenreich damals ähnlich ergangen.
     
    Georg Sander wurde in den Kurven mal nach links, mal nach rechts geschleudert. Verzweifelt klammerte er sich an einen Haltegriff über der Tür und stemmte sich mit der rechten Hand auf dem kühlen Sitzleder ab. Der Kerl fuhr wie der Teufel. Kurz vor Bad Boll trat er unvermittelt auf die Bremse, um rechts in Richtung Ortsmitte abzubiegen. Sander drehte sich vorsichtig um, doch da waren noch immer die Scheinwerfer des Verfolgerfahrzeugs. Die Zufahrt zu der Kuranlage flog vorbei und gleich darauf erreichten sie die Ortsdurchfahrt. Sander malte sich aus, was geschehen würde, träte zwischen geparkten Autos eine Person auf die Straße.
    »Wo fahren wir eigentlich hin?«, fragte er, doch es hörte sich viel zu zaghaft an, um bei dem Unbekannten da vorne Eindruck zu schinden.
    »Das werden Sie schon sehen!« Der Geländewagen, das stellte Sander fest, blieb auch in engen Kurven sauber in der Spur. Er schätzte die Geschwindigkeit auf mindestens 90. Jedenfalls schien sich der Mann nicht vor den Blitzkästen zu fürchten, die überall in den kleinen Gemeinden gegen Temposünder errichtet worden waren.
    Auch als sie Dürnau, den nächsten Ort, erreichten und das Tempo deutlich beschleunigt war, hatte sich der Abstand zu den Verfolgerscheinwerfern nicht vergrößert. Sanders Fahrer riss den Wagen um eine künstliche Verschwenkung herum, die zur Verkehrsberuhigung gedacht war, und trat wieder kräftig aufs Gas. Die Beschleunigung drückte den Journalisten in die Sitzlehne. Ich muss so schnell wie möglich raus, hämmerte es in seinem Kopf. Raus. Wenn die Zentralverriegelung nicht geschlossen war. Und vor allem, wenn der Wagen für einen Moment langsamer fahren würde. Er fingerte nach dem Türgriff, bekam ihn aber nicht zu fassen. Verdammt, wie funktionierte dieser Schließmechanismus? Sollte es ihm gelingen, die Tür aufzureißen, musste er vorher den Sicherheitsgurt ablegen. Bei der rasanten Umrundung eines engen Kreisverkehrs zerrte erneut die Zentrifugalkraft an seinem Körper. Doch schon preschte der Wagen über eine schmale Straße in die finstere Nacht hinein, wo in der Ferne einige Lichter funkelten. Das muss Heiningen sein, versuchte Sander seine Gedanken zu ordnen. Warum, so überlegte er krampfhaft, warum schlägt der Kerl solche Haken? Kreuz und quer war er jetzt durch die kleinen Gemeinden des Voralbgebiets gerast, ohne auch nur die geringste Chance gehabt zu haben, den Verfolger abzuschütteln.
    »Lassen Sie mich bitte raus«, unternahm Sander einen neuerlichen Versuch, sich dem Geschehen zu entziehen. Diesmal klang es jämmerlich und ängstlich, jedenfalls nicht so, dass er damit den Unbekannten hätte beeindrucken können. Der gab keine Antwort.
    Drei Autos kamen ihnen entgegen. Sander schwieg wieder und fühlte am ganzen Körper Schweiß. Heißen und kalten. Neue Ideen entwickelten sich: Sollte er dem Kerl von hinten ins Steuer fassen, ihm die Augen zuhalten, ihn an den Haaren ziehen? Nicht bei diesem Tempo, befahl ihm die innere Stimme. Nicht jetzt. Das Ortsschild von Heiningen flitzte vorbei. Sander überlegte, ob der Kerl die Kreisstadt Göppingen ansteuern würde. Doch dann trat der Fahrer scharf auf die Bremse, um den Wagen zu entschleunigen, und zog ihn scharf nach rechts in

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