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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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an Vermögen vorhanden ist, werden meine Kollegen morgen feststellen – sofern es sich nachvollziehen lässt.«
    Neusser grinste. »Natürlich lässt es sich nicht nachvollziehen«, sagte er im Brustton der Überzeugung. »Du wirst doch nicht so blauäugig sein und glauben, dass einer, der an vorderster Front sitzt, der also jeden Steuertrick kennt – dass so einer sein Schwarzgeld, wenn er eines hat, fein säuberlich zur Kreissparkasse oder zur Volksbank trägt und es unserem Staat zur Ansicht und zur Abzocke überlässt?«
    »Natürlich glaub ich das nicht, Erich. Aber der Verdacht liegt doch nahe, dass Werner mit seinen uns bekannten Jobs niemals das verdient haben kann, das seinen Lebensstil erklären könnte.«
    Brigitte bejahte eifrig und zog ein misstrauisches Gesicht. »Da war sicher noch mehr.«
    »Verdienen«, griff ihr Mann die Bemerkung Hilschers auf. »Was sagt uns das? Doch nur so viel, dass der Normalbürger, zu dem ich mich natürlich auch zähle, nur so viel für seine Arbeit kriegt, wie er braucht, um einigermaßen zufrieden leben zu können. Wer darauf im herkömmlichen Sinne angewiesen ist, wird nie – ich betone – nie wirklich reich werden und sich alles leisten können, was er sich wünscht.«
    »Wir verdienen eh immer weniger«, bekräftigte Hilscher. »Das Wenige, das wir in den letzten Jahren gekriegt haben, ist für Sozial- und sonstige Abgaben draufgegangen.«
    Neusser fühlte sich zu weiteren Bemerkungen angespornt: »Seit ein paar Jahren hat sich ein Mechanismus durchgesetzt, der uns die negativen Seiten der freien Marktwirtschaft doch dramatisch vor Augen führt und zeigt, dass der Normalverbraucher niemals auf einen grünen Zweig kommen kann. Denk doch nur an die Energiekosten. Benzin, Strom und so weiter. Mit irgendwelchen fadenscheinigen Begründungen – mal ist es der starke Euro, dann der schwache Dollarkurs, mal die knapper werdenden Rohstoffvorräte, dann wieder irgendwelche politischen Unruhen. So jedenfalls hat man die Benzinpreise nach oben gepuscht.«
    Die beiden hörten ihm gebannt zu. Brigitte gefiel es, wenn ihr Mann über solche Themen dozierte.
    »In Wirklichkeit«, fuhr er fort, »ist dies Kapitalismus pur: Man tariert aus, was der Markt hergibt. Erzähl uns doch keiner, irgendein Artikel sei ehrlich kalkuliert. Ein VW Golf müsse exakt soundso viel kosten, weil dies die Material- und Arbeitskosten plus eine gewisse Gewinnspanne erforderten. Nein, man checkt ab, was der Markt für ein Fahrzeug dieser Klasse hergibt. Und das ist in allen anderen Bereichen nicht anders.« Neusser war in solchen Fällen kaum noch zu stoppen. »Ich vergleich das mit der Stellschraube an irgendeinem Gerät: Man dreht so lange daran, bis sich die Einstellung nicht mehr verbessern lässt und eine Verschlechterung zu befürchten ist. Auf die Marktwirtschaft bezogen, heißt das doch: Jeder versucht, das Optimale für sich herauszuschlagen. Und exakt aus diesem Grunde, Joachim, können wir beide als ehrliche Verdiener niemals über einen gewissen durchschnittlichen Lebensstandard hinauskommen. Denn man lässt uns gerade so viel, wie wir uns leisten können. Mehr nicht.«
    Hilscher musste sich eingestehen, dies noch nie so deutlich gehört zu haben. »Deshalb gehen die Abzocker bei den Mineralölgesellschaften immer höher«, stellte er fest.
    »Natürlich. Immer weiter, immer weiter – und zwar so lange, bis sie merken, oh, jetzt könnte der Verbrauch zurückgehen. Dann haben sie wieder das höchstmögliche Level austariert.«
    »Und so macht’s der Bäcker und so macht’s der Metzger«, gab Brigitte zu bedenken.
    »Alle machen es so«, bestätigte ihr Mann. »Allerdings werden die Kleinen in diesem System dazu gezwungen. Wenn einer nicht mitmacht, geht er unter. Wie soll sich ein kleiner Handwerker dagegen wehren, von den großen Multis ausgenommen zu werden? Doch nur durch den Versuch, seinerseits wieder an mehr Geld zu gelangen. Und am Schluss – um wieder auf unser Thema zurückzukommen – bleibt der, der nur aufs ehrliche Geldverdienen angewiesen ist, dort stehen, wo er immer stand. Und dies, obwohl er zunehmend arbeiten muss.«
    »Und was meinst du, wie lange das noch funktioniert?«
    »Bis die Schmerzgrenze erreicht ist«, antwortete Neusser prompt. »Aber die scheint im Moment noch sehr hoch zu sein. Das wissen natürlich auch die Konzerne und die Politiker. Unstrittig ist schließlich, dass sich das Volk in den zurückliegenden Jahrzehnten ein finanzielles Polster zugelegt

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