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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine einmündende Straße. Sander, der sich in dieser Gegend auskannte, wusste, was dies bedeutete: Der Unbekannte wollte womöglich ins Gelände, um die Stärken des Fahrzeugs auszuspielen. Mit voller Beschleunigung jagte der Wagen bereits wieder aus dem Ort hinaus. Aber auch jetzt blieb der Abstand zum Verfolger nahezu konstant. Und wenn geschossen wird?, durchzuckte Sander ein panischer Gedanke. Wenn von hinten durch die Heckscheibe geschossen wird? Er drehte sich vorsichtig um, doch die aufgeblendeten Scheinwerfer des Verfolgerfahrzeugs waren viel zu grell, um das vordere Kennzeichen ablesen zu können.
    Der nächste Ort war Eschenbach. Sander vergegenwärtigte sich schnell den dortigen Straßenverlauf: Zwischen einer beidseitigen Böschung traf die Umgehungsstraße wieder auf einen Kreisverkehr, der ihm sehr eng in Erinnerung war. Vielleicht würde der Fahrer so stark abbremsen müssen, dass ein Sprung aus dem Wagen möglich wäre. Sander legte den Kopf zur Seite, um durch die Windschutzscheibe sehen zu können. Die Scheinwerfer trafen bereits den bepflanzten Kreisverkehr, doch der Geländewagen wurde zwar wieder mit einem knappen Tritt auf die Bremse kurz verlangsamt, schoss aber sofort mit quietschenden Reifen durch den Halbkreis, um sogleich geradeaus weiterzupreschen. Nach wenigen Sekunden rumpelte er über einen unbeschrankten Bahnübergang, hinter dem sich die stark bewachsene Umgrenzung eines größeren Gewerbegebiets im Scheinwerferlicht abzeichnete. Wieder heulte der Motor mit seinem satten Sound auf, während gleichzeitig die Beschleunigungskräfte auf die Insassen einwirkten.
    Wer immer im hinteren Auto sitzt, dachte Sander, diese Person ist nicht so einfach abzuschütteln. Ihn beschlich das bittere Gefühl, zwischen die Fronten geraten zu sein. Zwischen Fronten, deren Verlauf er nicht kannte – geschweige denn, welche Absichten die beiden Gegner verfolgten. Sander schätzte die Geschwindigkeit jetzt auf 150 km/h. Die Straße wurde breiter, und die Scheinwerfer wühlten sich am hohen Grasbewuchs des Seitenstreifens entlang. In der sommerblauen Nacht zeichnete sich vor ihnen die Silhouette der Albhänge ab, gleich tauchten auch die Lichter der Wohnblöcke von Ursenwang auf, einer Art Trabantenstadt von Göppingen. Sanders Puls raste. Jetzt oder nie, dachte er. Gleich musste der Unbekannte an zwei aufeinanderfolgenden Einmündungen die Vorfahrt beachten. Wenn es das Schicksal gut meinte, dann gab es wenigstens an einer von ihnen Querverkehr. Sander fingerte verzweifelt an der Armlehne nach einem Hebel, mit dem die Tür zu öffnen war. Er tastete an der Verkleidung entlang – bis er endlich etwas spürte, das der gewünschte Mechanismus sein konnte. Mit der rechten Hand suchte er den Verschluss für den Gurt. Er musste beides gleichzeitig betätigen. Gurt weg, Tür auf – und raus. Aber wahrscheinlich ist sie verriegelt, meldete sich seine innere Stimme. Natürlich ist sie verriegelt. Du hast keine Chance. Nicht die geringste.
    An der ersten Einmündung brauchte der Fahrer das Tempo nur geringfügig zu verlangsamen, denn von keiner Seite waren Scheinwerfer zu sehen. Der Geländewagen jagte nach links, wo schon nach 150 Metern die nächste Einmündung auftauchte. Bitte, flehte Sander im Stillen und fühlte sich für einen Augenblick in die Kindheit zurückversetzt, als er in brenzligen Situationen auf diese Weise immer zum lieben Gott betete. Bitte mach, dass es Querverkehr gibt. Wieder bremste der Mann kurz ab. Kein Scheinwerfer von rechts, nur einer von links, aber der war weit genug weg, dass sein Geländewagen in die vorfahrtsberechtigte Straße einbiegen konnte. Mit einer scharfen Lenkbewegung nach rechts und Vollgas war Sanders Fluchtversuch zunichte gemacht. Das Verfolgerfahrzeug hatte sich schon wieder an sie geheftet.
    Das Aufheulen des Motors und die gefühlte Beschleunigung ließen darauf schließen, dass der Unbekannte jetzt alles auf eine Karte setzte. Die reflektierenden Begrenzungspfosten flogen an ihnen vorbei. Aber der Verfolger, so stellte Sander mit einer Kopfbewegung fest, blieb hartnäckig hinter ihnen. Was ist dem so wichtig, dass er Kopf und Kragen riskiert?, staunte Sander. Wenn es etwas zu erledigen gab, dann hätten sie es doch auf dem Parkplatz an der Autobahn tun können. Wieso hatte dieser dubiose Geländewagenfahrer die Flucht ergriffen? Kannte er womöglich den Verfolger?
    Auf dem nächsten Ortsschild stand ›Schlat‹. Der Wasserberg, dachte Sander. Hier ging es zum

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