Glasklar
ganz so, aber beinahe«, lächelte Häberle. »Alles schon gecheckt. Sie sind morgen Abend der Vertreter des Deutschen Alpenvereins. Der echte ist verhindert. Ist bereits für Sie so erledigt. Ich hab da einige Kontakte.«
»Aber ich …« Linkohr wurde schlagartig bewusst, dass er nie in seinem Leben in einer Alpenvereinshütte gewesen war.
»Kein Problem«, unterbrach ihn sein Chef. »Dieser Arbeitskreis der Umwelt- und Naturschützer ist wie ein offener runder Tisch. Mehr als 60 Organisationen können zu den regelmäßigen Sitzungen ihre Vertreter entsenden – aber nur die wenigsten nehmen dies wahr, hab ich mir berichten lassen. Es fällt also überhaupt nicht auf, wenn Sie offiziell als Alpenvereinler auftauchen.«
»Der junge, dynamische Bergsteiger Mike Linkohr«, frotzelte einer der Kollegen, um sogleich Linkohrs Lieblingsspruch zu rezitieren. »Da haut’s dir ’s Blech weg.«
»Vergiss den Gamsbarthut nicht«, empfahl ihm ein anderer.
21.
Sander hatte sich getäuscht. Der Kerl am Steuer war gleich nach dem Ortseingang von Schlat links abgebogen und jagte den Geländewagen jetzt erneut mit Vollgas voran – durch den Schlater Wald, wo er kurz vor einer Kurve auf einen langsamen Kleinwagen aufschloss, sich aber sofort zu einem waghalsigen Überholmanöver durchrang. Dem Journalisten stockte der Atem. Zwischen den Kopfstützen hindurch war sein Blick starr auf den Kurvenverlauf gerichtet, wo ihnen jeden Augenblick ein Fahrzeug entgegenkommen konnte. Sander dachte an die vielen schrecklichen Unfälle, die es auf diesem Streckenabschnitt schon gegeben hatte. Doch Sekunden später bereits waren sie wieder auf die rechte Spur eingeschert. Das Xenonlicht des Geländewagens traf in schneller Folge die Bäume und Leitpfosten am Straßenrand.
Sander räusperte sich, um mit fester Stimme zu protestieren: »Was soll das eigentlich? Lassen Sie mich sofort aussteigen!«
»Ihnen wird schon nichts passieren«, knurrte der Unbekannte, um dann amüsiert hinzuzufügen: »Was glauben Sie, was Sie für eine Story kriegen. Deshalb sollten Sie jetzt kein Angsthase sein. Also, bleiben Sie sitzen. Ich will nichts weiter, als dieses verdammte Auto da hinten loswerden.«
Sander drehte sich wieder vorsichtig um. Nachdem sie erneut eine Kurve durchfahren hatten, waren die Scheinwerfer des Verfolgers wieder da. Zwar jetzt knapp 200 Meter entfernt, aber die Distanz schien sich zu verringern.
Sander überlegte, ob er es schaffen würde, heimlich die Notrufnummer zu drücken, das Handy neben sich zu legen und mit dem Fahrer eine Konversation zu beginnen, aus der der Beamte in der Polizeileitstelle – sofern dieser clever genug war – die Position des Fahrzeugs heraushören könnte. Das Handy steckte in der linken Innentasche seines Jacketts. Er würde es in der Dunkelheit vorsichtig herausholen, zumal auch der Rückspiegel des Fahrers nicht direkt auf ihn gerichtet war. Es war zumindest eine winzige Chance, diesem Höllenkommando zu entkommen.
Sie verließen den Wald. Links zeichnete sich vor dem nachtdunklen Himmel der Kegel des Hohenstaufens ab, den in halber Höhe der Lichterkranz des gleichnamigen Ortes umgab. Auf der leichten Gefällstrecke hinab ins Filstal, über dem der gelbliche Schein starker Straßenlampen in der Luft hing, steigerte sich das Tempo des Wagens erneut. Der Abstand zum Verfolger, so schien es Sander, vergrößerte sich deutlich.
Gleich bremste der Geländewagen wieder abrupt ab, weil abermals ein enger Kreisverkehr zu durchfahren war. Am Ortsrand von Süßen erhellten die Straßenlampen das Innere des Fahrzeugs. Sander erkannte, dass es jetzt viel zu riskant wäre, in die innere Brusttasche zu greifen. Der Fahrer könnte seine Bewegungen im Rückspiegel erkennen. Vielleicht bot sich ja an der jetzt nahenden Einmündung in die Bundesstraße 10 die Chance, aus dem Wagen zu springen.
Der Geländewagen preschte an die Ampelanlage heran, die bei Nacht nur gelb blinkte, wurde stark abgebremst, dann aber sogleich scharf nach rechts gerissen und beschleunigt. Die Fliehkraft presste Sander gegen die linke Tür. Im Augenwinkel sah er, dass sich aus Richtung Göppingen ein Auto genähert hatte, dem der Kerl wohl die Vorfahrt genommen hatte. Damit war der Verfolger nicht mehr direkt hinter ihnen.
Sander schätzte, dass der Geländewagen die im Ort zulässige Höchstgeschwindigkeit ums Doppelte überschritten hatte. Schon nach wenigen Sekunden hatten sie die mit Schallschutzwänden kanalisierte Ortsausfahrt
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