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Glasklar

Glasklar

Titel: Glasklar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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erreicht, wo die Straße auf ein paar hundert Metern vierspurig wurde. Bis zur nächsten Gemeinde – es war Gingen – blieb ihm maximal eine halbe Minute, überlegte Sander und entschloss sich, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Während die vollen Beschleunigungskräfte auf ihn einwirkten und der Verfolger den Pkw hinter ihnen überholte, ließ der Journalist seine rechte Hand ins offene Jackett gleiten und holte sein Handy heraus. Der Kerl hatte nichts bemerkt, denn er musste kurz vor Ende des vierspurigen Ausbaus einen riskanten Überholversuch im letzten Augenblick abbrechen. Ein Sattelzug-Lenker neben ihnen war nicht bereit gewesen, den Geländewagen noch vor der Verengung auf zwei Spuren vorbeiziehen zu lassen. Die Folge war ein plötzliches Abbremsen und ein wütender Fluch des unbekannten Mannes hinterm Steuer. Damit ist das Himmelfahrtskommando vorläufig gestoppt, dachte Sander, während der Geländewagen nun hinter dem Sattelzug auf Gingen zurollte und der Verfolger ganz dicht aufschließen konnte.
    Der Journalist hielt das Handy auf Bauchhöhe und orientierte sich mit den Fingern auf der Tastatur. Hier das Display, darunter die dicke Menü-Taste, links unterhalb die Eins, ganz unten in der Mitte die Null. Nur, wo war die Ruftaste? Lag sie über der Eins oder noch eins drüber? Sander ärgerte sich, niemals das blinde Wählen ausprobiert zu haben. Dabei konnte gerade dies in solch brenzligen Situationen lebensrettend sein. Wahrscheinlich war die Tastensperre aktiviert. Ganz sicher sogar. Sander versuchte, sich daran zu entsinnen, wie sie zu deaktivieren war: Menü-Taste und jene links unten. Es würde einen Pieps geben, durchzuckte es ihn. Ob der Motor ihn übertönte, war fraglich. Sander entschied sich zu einem lauten Räuspern und drückte mit dem Daumen der rechten Hand nacheinander die beiden Tasten. Dass gleichzeitig das Display hell wurde, versetzte ihn in innere Panik. Doch der Mann vor ihm konnte nicht erkennen, was hinter der Rückenlehne geschah. Der Journalist spürte sein Herz bis zum Hals klopfen. Immerhin hatte er die richtigen Tasten erwischt, sonst wäre das Display nicht erleuchtet.
    Um nach seinem gekünstelten Husten keinen Argwohn zu erwecken, entschloss er sich zu einer energischen Äußerung: »Lassen Sie mich bitte hier aussteigen!« Die rasante Fahrt war durch den Sattelzug deutlich abgebremst worden.
    »Reden Sie nicht«, gab sich der Mann unwirsch, während Sander nun ganz konzentriert die entscheidenden Tasten abzählte. Die dritte von links oben – und die unterste in der Mitte. Eins, eins, null. Erst kürzlich hatte er einen Artikel darüber geschrieben, wie das Notrufsystem organisiert war. Mit 110 kam er direkt zur Polizei, während 112 zur Leitstelle der Rettungsdienste ging. Im Prinzip war es egal, wo man im Notfall anrief, denn beide Nummern waren untereinander vernetzt. Doch Sander wollte sichergehen, dass er gleich an die richtige Stelle geriet, wo man die Brisanz des Gehörten sofort würde einschätzen können.
    Er hielt das Handy auf dem Oberschenkel fest und wartete zwei, drei Sekunden – in der Hoffnung, dass es dann einen Mithörer gab. »Was sollen wir denn in Gingen?«, rief er viel lauter, als er bisher gesprochen hatte. »Wenn Sie mich nicht sofort rauslassen, ist das eine astreine Entführung!«
    »Was brüllen Sie denn so rum?«, kam es irritiert zurück. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich Ihnen nichts antue.«
    Der Fahrer setzte den Blinker, was Sander am Klackern bemerkte. Ruckartig bog der Wagen nach rechts ab. »Sie fahren ja zum Grünenberg rauf«, stellte Sander verwundert, aber laut genug fest, dass es der Polizeibeamte, wenn er denn abgenommen hatte, verstehen können musste.
    »Jetzt werden Sie gleich sehen, wie die Post abgeht«, gab der Unbekannte zurück. »Festhalten, einfach festhalten!«
    Sander sah auf das hell erleuchtete Display. Die Verbindung war vermutlich zustande gekommen. Ob sich jemand gemeldet hatte, wusste er nicht. Im Augenwinkel bemerkte er, dass der Verfolger dicht dran war. »Lassen Sie mich bitte raus!«, schrie Sander noch einmal. »Das ist eine Entführung! Ich will nicht zum Grünenberg!« Kaum hatte er es hinausgebrüllt, kam ihm auch schon der Gedanke, der Fahrer könnte mitgekriegt haben, dass diese Feststellung jemand anderem gegolten hatte.
    »Seien Sie doch still!«, wurde der Mann jetzt ebenfalls laut. Noch bevor die schmale Straße den Hang hinaufführte, bog der Geländewagen links auf einen Asphaltweg ein,

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