Glasklar
der zunächst am Rande der Bebauung entlangführte und, wie im Scheinwerferlicht zu sehen war, einem kleinen Bachlauf folgte. Der Motor entfesselte erneut seine ganzen Beschleunigungskräfte, während einige Nachtfalter den Zusammenprall mit der Windschutzscheibe mit dem Leben bezahlen mussten. Noch folgten die Scheinwerfer des hinteren Autos nach.
»Sie fahren ja gar nicht zum Grünenberg, sondern in dieses Tal raus«, empörte sich Sander. Er hoffte inständig, dass jemand mithörte. Falls nicht, war es eine Fahrt mit ungewissem Ende.
»Dann ist ja wohl alles klar«, stellte Häberle fest und blickte in abgespannte Gesichter. »Heute Nacht wird uns nichts mehr anbrennen, denk ich.« Es war höchste Zeit, sich ein paar Stunden Schlaf zu gönnen. »Dann werden wir uns morgen um den Computer von Heidenreich kümmern – und bei der LPD oder beim Innenministerium seinen beruflichen Werdegang beleuchten.«
»Und auch seine Mieze genauer unter die Lupe nehmen«, warf Speckinger ein. »Aber vielleicht ist das eher was für den Kollegen Linkohr.« Der schwieg beharrlich. Seine Gedanken drehten sich um Mariella, die jetzt allein zu Hause saß. Zumindest hoffte er dies. Mit ihrem Bruder Gunnar hatte er am frühen Abend ein paar deutliche Worte gesprochen und ihm vorgeworfen, den ausgeliehenen Wagen viel zu lange behalten zu haben. Warum eigentlich, so fiel ihm plötzlich ein, hatte Mariella ihrem Bruder nicht ihr Auto zur Verfügung gestellt? Er überlegte krampfhaft, ob sie eine Erklärung dafür genannt hatte. Doch ihm wollte nicht einfallen, was darüber gesprochen worden war. Wenn er bei Mariella war, konnte er sich auf keine Nebensächlichkeiten konzentrieren. Seit er sie kennengelernt hatte, schien es ihm, als sei er allem Irdischen entrückt. Auch jetzt ertappte er sich dabei, wie manches, was seine Kollegen sagten, einfach an ihm vorbeizog. Er hätte auch nicht sagen können, was Häberle sonst noch erklärt hatte. Erst als ein Uniformierter die angelehnte Tür vollends öffnete und um Aufmerksamkeit bat, fühlte er sich auch geistig wieder in die Gegenwart versetzt.
»Der P v D hat einen seltsamen Anruf gekriegt«, informierte der Beamte von der Wache mit sonorer Stimme und meinte damit den Polizeiführer vom Dienst. »Über Notruf, aber ohne Rufnummernübertragung.« Er blickte auf seinen Notizzettel: »Gemeldet hat sich niemand. Im Hintergrund habe aber jemand von Entführung gesprochen und den Ortsnamen Gingen erwähnt.«
Die Kriminalisten lauschten gebannt. »Das Gespräch ist aufgezeichnet, ihr könnt es euch beim P v D drüben anhören.«
Häberle durchbrach als Erster die entstandene Stille: »Gingen«, äußerte er. »Das passt zumindest, was die Richtung betrifft, zu unserem Tatort.« Und er fügte hinzu: »Gehen wir mal rüber.«
Die Männer folgten ihm ohne zu zögern durch den Flur hinaus auf den Innenhof, um im Nebengebäude die Stufen zur Einsatzleitstelle hochzugehen. Dort saßen zwei uniformierte Beamte hinter mehreren verkabelten Geräten und Monitoren. Aus dem Lautsprecher eines Funkgeräts schepperte eine Stimme, die den Rufnamen ›Dora soundsoviel‹ verzweifelt wiederholte. Offenbar meldete sich die gesuchte Streife nicht. Einer der Männer drückte eine Taste, zog das Mikrofon zu sich her und bekam Kontakt zu einer anderen Streife.
»Ihr Standort?«, fragte der Beamte knapp.
»Ortsausgang Weißenstein Richtung Nenningen.«
»Fahren Sie Gingen, Parkplatz Ortsausgang Richtung Grünenberg. Dort auf den Weg am Rande der Neubausiedlung ›Barbaragarten‹.«
»In Ordnung«, bestätigte der Streifenbeamte und beendete die Verbindung.
Der zweite Uniformierte hatte unterdessen die Kollegen der Sonderkommission bereits zu einem Computer geführt, der die eingehenden Notrufe automatisch aufzeichnete. Die Männer drängten sich an der Stirnseite des Tisches um einen Lautsprecher, über den das mitgeschnittene Gespräch zu hören war.
»Es ist vor drei Minuten gekommen«, erklärte der Beamte. »Ich habe es entgegengenommen, aber es hat sich keiner gemeldet. Nur im Hintergrund hat jemand gesprochen – hier.« Er klickte auf ›Play‹, worauf zunächst ein Rauschen ertönte und dann eine Männerstimme folgte, jene des Beamten: ›Notruf Göppingen.‹ Wieder Rauschen oder Motorengeräusch, dann eine andere Männerstimme: »Sie fahren ja zum Grünenberg rauf.« Es war klar und deutlich zu verstehen. Leiser hingegen die Stimme eines anderen: »Jetzt werden Sie gleich sehen, wie die Post
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