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Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)

Titel: Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
Autoren: Tanja Meurer
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erkannte sie Moos, in dessen weicher Oberfläche sich feiner, nasser Flusssand abgesetzt hatte. Das, was es einst an Bögen und Streben gab, lag in verwitterten Segmenten auf dem Boden. In einiger Entfernung glaubte Camilla, Fachwerkfassaden zu erkennen, die in die Bruchsteine eingefasst worden waren. Schmale Scharten, in denen schwarze Eisenstreben saßen, hielten Öffnungen frei.
    Olympia zwängte sich nach innen, doch Camilla zögerte.
    »Was ist?« Amelie winkte ungeduldig. »Komm.«
    »Hier soll es zu Nathanaels Behausung gehen?«
    »Ja.«
    »Aber hier würde er nie durchpassen. Das sind Schießscharten.« Camilla war sich nicht einmal sicher, hindurchzupassen. In jedem Fall musste sie den Kopf zwischen die Schultern ziehen und darauf hoffen, nicht stecken zu bleiben.
    »Glaubst du, wir gehen durch die Vordertür?« Ironie schwang in Amelies Stimme mit. Sie wies mit der Lampe an der Wand nach rechts. Nach etlichen Metern verlor sich der Lichtkegel in feinem Wasserstaub, der wie unterirdischer Nebel in der Luft hing. Sie erkannte in der grünen Wand eine eingesunkene Stadtmauer.
    »Du gehst doch am ehesten davon aus, dass er sich in seiner Bibliothek aufhält, oder?«
    Camilla nickte.
    »Wenn du nicht noch mal gute zweihundert Meter nach rechts laufen willst, um die Strecke innerhalb der Mauer wieder zurückzugehen, solltest du vielleicht diese Abkürzung nehmen.«
    »Liegt seine Bibliothek nicht viel tiefer in der Erde? Letztes Mal sind Chris und ich weit nach unten gestiegen.«
    »Das ist richtig.« Amelie verschränkte die Arme vor der Brust. »Die Seite jenseits der Mauer liegt etwas tiefer. Von dort führt ein Schacht nach unten. Auf dieser Ebene sind die Straßen unpassierbar. Verschüttet.«
    Camilla blieb keine andere Wahl.
    Widerstrebend glitt sie hinter der Schießscharte, die durch meterdickes Mauerwerk führte, eine glitschige Halde hinab. Das Moos hatte sich durch die Feuchtigkeit in eine Rutschbahn verwandelt. Amelie tänzelte leichtfüßig über die Geröllbrocken, wenn sie sie nicht zermalmte, während Camilla die paar Meter Höhenunterschied auf dem Hosenboden nahm. Von der Tatsache abgesehen, dass sie nun eine triefnasse, kalte Rückfront hatte, hasste Camilla es, sich so ungeschickt anzustellen. Sie war insgeheim nur froh, nicht auch noch ihre Brille bei der Schlitterpartie verloren zu haben. Beruhigend war nur, dass Olympias Kleid von hinten nicht weniger schmutzig und durchgenässt war.
    Stumm reichte ihr die Puppe beide Hände.
    Camilla zögerte, ergriff sie aber.
    In den zweifarbigen Augen blitzte sanfter Spott. »Du hast dich auch schon geschickter angestellt.«
    Theresa. Camilla atmete auf. Trotz der unterschwelligen Angst tat es gut, ihre Freundin zu hören.
    »Klappe, blöde Nuss.«
    Olympias Züge verzogen sich zu einem Grinsen, das Theresas ähnelte. Als Amelie unten ankam und in den Gang leuchtete, wurde sie wieder ernst. Olympia kehrte zurück, zumindest teilweise. Trotz allem ließ sie Camillas Hand nicht los. Wie Theresa es zu Lebzeiten oft getan hatte, verschränkten sich nun Olympias Finger vertraut in Camillas. Das Gefühl tat gut.
    Amelie hatte nicht untertrieben, aber verschwiegen, dass es sich um eine Wendeltreppe handelte. Die Stufen führten nach wenigen Schritten steil in die Tiefe. Ähnlich wie bei der Treppe, die sie mit Chris gegangen war, gab es keine Schwelle, die der nächsten glich.
    Der ausgetretene, nasse Stein bot wenig Halt. Einzelne Stufen bebten unter ihren Schritten. Camilla hielt sich mit einer Hand an der Wand fest, während Olympia ihre andere hielt.
    Erst nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie festen Grund.
    Ein niedriger Rundbogen erinnerte stark an den mittelalterlichen Treppenturm in der Ronneburg, den Camilla dank der vielen Mittelaltermärkte bestens kannte. Auch hier betrat sie eine Art Terrasse, die sich einen knappen Meter über dem inneren Burghof erhob. Bei diesem Ruinenbau handelte es sich um ein Kastell. So sauber und ordentlich, wie das Areal wirkte, wurde es regelmäßig genutzt. Dafür sprachen auch die intakten Butzenglasscheiben und die lackierten Fensterläden.
    »Lebt Nathanael hier?«
    Amelie nickte. »Das ist sein Reich.«
    »Aber wie kann er all das so ordentlich halten? Besonders, wenn er bis vor Kurzem wie ein Tier war?«
    Olympias Hand verkrampfte sich. Langsam tat es wirklich weh. Vorsichtig entzog sie ihre Finger, bevor Olympia sie versehentlich brach. Die Puppe starrte sie vorwurfsvoll an. Camilla formte das Wort Aua
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