Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
Gewicht zu verleihen, indem sie Chris’ Blick einfing. Leider glaubte sie nicht an ihre Worte und auch Chris spürte es.
»Hältst du ihn wirklich für einen Mörder?«
Unentschlossen wiegte sie den Kopf hin und her.
Chris zog sie wieder an sich und schlang die Arme um sie. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Obwohl er den Menschen hier Gutes tut, sind seine Handlungen undurchsichtig.«
Camilla umarmte ihn fest. Sie spürte, dass er sie dieses Mal als Stütze brauchte. »Sehen wir uns gründlich um. Vielleicht finden wir mehr heraus.«
Während Chris die Lampe heller drehte, kletterte Camilla bereits die nächste Spindeltreppe nach unten. Seine schweren Schritte hallten nach. Sie wartete, bis er zu ihr aufschloss und wies auf ein paar sehr alte, stark verstaubte Regale, in denen sich Spinnen eingenistet hatten. Sacht trieben die Weben hin und her. Von irgendwo musste ein Luftzug kommen, aber er ließ sich nicht lokalisieren.
Hier unten standen die Regale mehrreihig und verliefen sich in der Dunkelheit, die zentrisch vier mit Leder bespannte Lesepulte einfasste. Christoph stellte seine Lampe ab.
»Ich nehme mir die Seite links der Treppe vor.«
Camilla nickte. Sie widmete sich den Regalen, in denen sich die Spinnweben bewegten. Tatsächlich spürte sie einen schwachen Zug. Die feinen Härchen an ihrem Hals kitzelten ihre Haut. Schaudernd sah sie sich um. Ihr gelang es nicht, die Finsternis zu durchdringen. Das ungute Gefühl steigerte sich. Sie fühlte sich beobachtet. Rasch fuhr sie zu Chris herum, der jedoch schien nichts zu bemerken.
»Alles okay?«, fragte er.
Mühsam beherrscht wandte sie sich den Büchern zu. Sie zog eines der hohen, zwischen Holzplatten gebundenen Exemplare hervor, die keinen Rückentext trugen. Staub wirbelte auf. Sie musste niesen.
»Gesundheit.«
»Danke.« Wie lang mochten diese Bücher nicht mehr genutzt worden sein?
Neugierig schlug sie eine Seite auf. Die Buchstaben begriff sie nicht. Es war nichts als eine Aneinanderreihung von Symbolen und Zahlen. Beim Blättern stieß sie auf Rechnungen und ein paar kryptische Notizen in einer fremdartigen Schriftsprache.
Irritiert stellte sie das Werk zurück und griff nach einem anderen. Es unterschied sich kaum von seinem Vorgänger. Handelte es sich um eine Geheimschrift?
»Chris?«
Undeutlich brummte er, über ein älteres Werk geneigt. Er hob den Kopf. »Was ist denn?«
»Ich habe etwas gefunden, weiß aber nicht, worum es hier geht.« Sie hob das staubige Buch an. Eine kleine Spinne krabbelte über den Buchrücken auf die Seiten. Camilla pustete sie davon.
»Zeig mal.« Chris hielt sein Buch unter den Arm geklemmt. Er sah ihr über die Schulter. Mit dem Kopf wies sie auf die bizarren Symbole. »Hast du so was schon mal gesehen?«
Er schüttelte den Kopf, wobei er nach der Seite griff und umschlug. Sie drückte ihm das Buch in die Hand. »Ich will mal sehen, ob es hier auch etwas gibt, was ich verstehe.«
Abwesend nickte er.
Camilla umrundete das Regal. In der Schlucht zwischen all den alten Büchern ballte sich Dunkelheit. Erneut überkam sie ein Schauder. Es fühlte sich an, als lauerte etwas auf sie.
Rasch griff sie nach einer besonders alten, abgegriffenen Kladde und trat ins Licht zurück.
Chris wischte mit dem Ärmel den Staub von einem der langen Tische und legte einige der bizarren Folianten ab. »Was ist das?«
Sie zögerte. Ihr Buch war wesentlich dünner als die, die er herausgesucht hatte. Neugierig öffnete sie es. Die uralte Rückenbindung knackte. Einen Moment später ergossen sich Dutzende Blätter über den Boden.
»Verdammt!« Sie kniete nieder, sammelte die Schriftstücke auf und schob sie auf einen Haufen zusammen. Was, wenn jemand bemerkte, dass sie hier herumgeschnüffelt hatten? Solange sie nicht wussten, wem das alles gehörte, war jeder Hinweis, den sie hinterließen, gefährlich. Andererseits stand zu befürchten, dass Amadeo es ohnehin bereits wusste, wenn er Gedanken lesen konnte.
Chris half ihr.
»Lass gut sein. Ich versuche, das alles wieder in eine Reihenfolge zu bringen.«
»In Ordnung«, entgegnete er und trat zum Regal. Wesentlich vorsichtiger als Camilla nahm er die nächste Mappe heraus. Beinah behutsam trug er sie zum Tisch.
Sie folgte ihm. All die Seiten zu ordnen, artete in Arbeit aus. Sie ließ ihre lose Blattsammlung auf das mit Leder bezogene Holz fallen.
»Ich bin ein Idiot!« Sie zog die Mappe unter den Seiten hervor und schlug sie auf. Die meisten Blätter lagen
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