Glasseelen - Schattengrenzen #1 (German Edition)
»Verdammt, Amadeo hat Grimm und fast auch Chris an den Sandmann verloren! Warum ist er so unvorsichtig? Warum sagt er nie die Wahrheit?« Ihre Stimme schnappte über.
In Olympias Blick zuckte es. Theresa kämpfte mit der Puppe um die Herrschaft.
»Ich stimme zu, wenn du seine Unvorsicht den Jungen gegenüber bemängelst«, entgegnete sie steif. »Andererseits kann ich nicht zulassen, dass du so über Amadeo …«
Wütend neigte sich Camilla über den Tisch. »Theresa empfindet es sicher nicht so wie du, Olympia. Sie ist von einem Mann umgebracht worden, dessen Lebensweg sicher anders verlaufen wäre, hätte sich Amadeo um ihn gekümmert.«
Olympias Blick verhärtete sich.
»Beruhigt euch, bitte. So kommen wir nicht weiter.« Christophs gefasste Stimme half Camilla, etwas herunterzufahren.
Sie ließ sich gegen die Stuhllehne sinken und strich sich eine Locke aus der Stirn. »Sorry, okay?«
Angespannt nickte Olympia. Für sie schien das Thema noch nicht beendet zu sein. Trotzdem verschob sie es.
Camilla griff nach ihrer Teetasse und trank einen Schluck.
»Anfangs interessierte sich Andreas nicht für die Bibliothek, sondern nur für Nathanaels altes Labor.« Die Nervosität in Olympias Stimme irritierte Camilla.
Lag ihr etwas an Grimm? Sie konnte es sich nicht vorstellen. Möglicherweise befanden sich Theresa und Olympia noch immer im Zwist. Sie spannte sich.
Olympia ging im Raum auf und ab, wobei sie den Blickkontakt zu Camilla oder Christoph vermied. »Er hat bei Amadeo den Schlüssel entdeckt und die Tür geöffnet. Andreas fand in der Kammer eine meiner Schwestern. Der Sandmann hatte sie damals, als Amadeo ihn aus der Stadt gejagt hatte, zurücklassen müssen. Sie war nur eine leere Hülle ohne Seele.«
Camilla konnte sich lebhaft vorstellen, welche Faszination von einer solchen, eigentlich perfekten Frau, ausging. Selbst ein Kind konnte sich dem nicht entziehen.
Olympia blieb unvermittelt stehen. »Dort lagen aber auch die Überreste einer Leiche.«
»Der arme Junge.« Ein Schauder jagte über Camillas Rücken.
»Was ist passiert?«, fragte Chris. Seine Stimme schwankte.
»Wie du hatte auch Andreas damals Angst, dass Amadeo zornig werden könnte, also schwieg er. Nur seiner Schwester erzählte er davon.«
»Schwester?« Camilla fuhr vom Stuhl auf.
»Das würde mich auch interessieren, Olympia.« Christoph erhob sich ebenfalls.
Die Puppe wandte sich ab. Wie unter Schmerzen stöhnte sie auf.
»Alles okay?«, fragte Camilla.
Olympia reagierte nicht. Sie stand reglos am Fenster und starrte hinaus.
Hatte sie sich abgeschaltet? Camilla schauderte. Zögernd trat sie zu der Puppe und legte ihr behutsam eine Hand auf die Schulter. »Olympia?«
Eine Reaktion blieb aus. Besaß Amadeo auch Macht über Olympia und ihre Schwestern? Camillas Nackenhaar stellte sich auf. Der Hinweis Olympias gab weiteren Anlass für Nachforschungen. Das musste der Alte mitbekommen haben.
»Ich kann nicht«, flüsterte Olympia mit Theresas Mädchenstimme.
Erschrocken fuhr Camilla zurück. Sie stieß gegen Chris, der sie behutsam umfing.
In Ordnung – also musste sie ihre Taktik ändern. Schließlich brauchte sie Olympias Informationen. »Wie kam der Sandmann – Nathanael – an Grimm?«
»Andreas fand Gefallen an den morbiden Dingen in der Kammer. Er war verrückt. Damals ist er oft dort hinuntergegangen. Wenn Amadeo nicht da war, erkundete er auch die Bibliothek.«
»Konnte er sich so einfach den mentalen Zugriffen Amadeos entziehen?« Camilla hatte die Fähigkeiten beider Männer erlebt. Ihr war schleierhaft, wer der stärkere Psioniker war.
Olympia nickte apathisch. »Ihm gelang es sogar, unbemerkt den Schlüssel der Bibliothek zu besorgen, um eine Kopie anfertigen zu lassen.«
»Aber wer würde dem Jungen hier unten eine Kopie anfertigen?« Christoph schüttelte ungläubig den Kopf.
Langsam wandte sich Olympia um. »Niemand hier«, entgegnete sie, wobei sie offen ließ, wer sonst einen Nachschlüssel gefertigt hatte.
Christoph fuhr zusammen. »Grimm hat die Tür geöffnet und einen Zugang von dem Gebiet des Sandmanns nach Ancienne Cologne zurück geschaffen, oder?«
Olympia nickte. »In der Bibliothek hörte er eine lockende Stimme, die ihm alles versprach, wenn er es schaffen würde, den Schlüssel zu besorgen.«
Chris stöhnte auf. »Was für ein Idiot!«
Ohne auf ihn zu achten, befreite sich Camilla. »Woher weißt du all die Details über Grimm?«
»Er war einige Tage unauffindbar. Als er
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