Glattauer, Daniel
vollautomatische
Wäschetrockner der Firma »Wetnix« zu verkaufen. Es fehlte nur noch die
Unterschrift des Geschäftsführers des großen Waschmaschinenerzeugers »Multoclean«.
Zur
Technik der »Wetnix«-Wäschetrockner ist anzumerken, dass sie nicht ausgereift
war. Die Geräte waren doppelt so groß und dreimal so schwer wie Waschmaschinen.
Und die Wäsche brauchte etwa dreimal länger um zu trocknen, als hätte man sie
im Freien aufgehängt. Bei »Wetnix« selbst rechnete man mit dem Verkauf von jährlich
höchstens fünf Stück. Hofmeister waren sechs Prozent des Erlöses für jeden
verkauften Trockner zugesichert worden. »Wetnix« hatte zuvor ein halbes Jahr
vergeblich nach einem Vertreter gesucht.
Wie er es
anstellte, »Multoclean« 1800 Stück zu verkaufen? Nun, es war ihm gelungen, den
Blick eines kleinen Mitarbeiters auf seinen Oberlippenbart zu lenken. Bis sich
der Blick löste, brachte er folgende Sätze unter: »Grüß Sie, Hofmeister. Ich
bin hier, um Ihnen eine Minute Ihres Lebens zu stehlen. Wäsche waschen können
alle. Wäsche trocknen können wir. Ohne Wetnix geht nix! Nehmen Sie uns dazu.
Machen Sie Nägel mit Köpfen!« Der Mitarbeiter hörte sich das an und meinte, er
werde seinem Chef vorschlagen, ein Gerät probeweise zu mieten.
Am
nächsten Tag rief der Chef persönlich bei Hofmeister an und fragte: »Sie haben
Wäschetrockner?« - »Nein, ich vertrete Sie nur«, antwortete Hofmeister.
»Funktionieren sie?«, fragte der Chef. »Ich würde nie ein Produkt vertreten,
das nicht funktioniert«, log Hofmeister. »Gut, wir kaufen 2000 Geräte.« - »So
viele haben wir nicht«, sagte Hofmeister panisch und verlor vor Aufregung
mindestens drei Barthaare, also etwa ein Zehntel des gesamten Bestandes. »Gut,
dann 1800 Stück!«, erwiderte der Chef. »Morgen unterschreibe ich. Kommen Sie zu
mir. Bringen Sie einen Trockner mit. Ziehen Sie Ihr bestes Sonntagsgewand an.
Wir drehen einen Live-Werbespot. Wir werden die Konkurrenz schockieren. Da wird
kein Auge trocken bleiben.« - »Sehr fein, machen wir Nägel mit Köpfen!«,
schloss der junge Hofmeister. Nach dem Telefonat wurde er bewusstlos vor
Glück.
Der
nächste Tag war besagter 27. Juni, an dem sich für ihn die Zukunft entscheiden
sollte. Bei »Wetnix« kühlte man den Sekt. Der Vorzeige-Trockner war geliefert.
(Die restlichen 1799 Geräte würde man in den nächsten Wochen schon irgendwie
produzieren.) Der junge Hofmeister selbst hatte sich vom prominentesten
Herrenausstatter taubengrau einkleiden lassen. Zur Unterschrift vor laufender
Kamera fehlten nur noch zehn Minuten. Das »Multoclean«-Gebäude war erreicht.
Hofmeister nahm auf einer Parkbank davor Platz und übte im Geiste den
Händedruck eines Millionärs. Dazu stieß er immer wieder kraftvolle »Jawohl«-Rufe
aus und klopfte sich dabei bekräftigend auf die Oberschenkel. Das dürfte der
Hund, der plötzlich aus dem Gebüsch aufgetaucht war, missverstanden haben. Er
glaubte, er solle Platz nehmen.
Als es zu
spät war, lag er wie ein schwarz lackiertes Kugelgebüsch auf Hofmeisters Schoß
und streckte eines seiner Hinterbeine von sich. Hofmeister reagierte sofort,
sprang auf und schleuderte den Hund wie einen (schwarz lackierten, buschigen)
Medizinball mit der Hüfte ins Jenseits des grünen Rasens. Der dunkelgraue nasse
Fleck auf der Hose blieb als Andenken an diese kurze Begegnung zurück. Er war
medizinballgroß und lief zudem die Hosenbeine bis zu den Knöcheln hinunter. Das
letzte Mal, als Hofmeister so ausgesehen hatte, war er sieben Jahre alt gewesen
und hatte sich weitere sieben Jahre dafür geniert. Damals war er allerdings
nicht zwei Minuten vor dem Augenblick gestanden, an dem sich für ihn die
Zukunft entscheiden sollte.
Die
Zukunft entschied sich innerhalb von wenigen Sekunden. Hofmeister betrat »Multoclean«,
wurde von einem hektischen Herrn im schwarzen Sakko begrüßt und an der Hand in
einen hell erleuchteten Nebenraum geführt. Der Mann klatschte dreimal in die
Hände und sagte: »Kinder, nehmt die Plätze ein, in drei Minuten sind wir auf
Sendung.« - »Ein Problem noch«, meldete sich Hofmeister mit krächzender
Stimme, »ich benötige dringend eine trockene Hose.« Nun sahen sie es alle
gleichzeitig und jeder wusste: Er hatte Recht. Aber nur einer reagierte, der
Wichtigste - und zwar so zornig, dass Hofmeister spontan fünf Barthaare
verlor. Die insgesamt dreizehn Schreie des »Multoclean«-Chefs bildeten eine Art
rhetorische Frage. Sie lautete:
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