Glattauer, Daniel
»Dieser-Mann-hier-in-der-angebrunzten-Hose-will-mir-allen-Ernstes-Wäschetrockner-verkaufen?«
Danach
setzte hysterisches Gelächter ein. Antwort fiel keine mehr. Der TV-Spot wurde
abgeblasen, das Geschäft war geplatzt. Die nächsten dreißig Nächte träumte
Hofmeister von Hunden. In guten Träumen schaffte er bis zu fünfzig Ritualmorde.
»Es ist
nicht mein Hund«, wiederholte Katrin nach einer weiteren Verarbeitungspause.
Die Mutter hatte ihre Stirn in zwölf Falten gelegt. (Man konnte sie leicht
zählen, denn die Entfaltung trat meist erst nach mehreren Stunden ein. Zwölf
Falten schaffte die Mutter selten. Auf über 15 kam sie nur bei vermeintlichen
Schwiegersöhnen, mit denen Katrin gerade Schluss gemacht hatte.) »Warum?«,
fragte der Vater Katrin beinahe stimmlos. Er meinte damit weder: »Warum ist es
nicht dein Hund?« noch »Warum hast du zu Weihnachten einen Hund?« Er meinte
eher allgemein: »Warum gibt es Hunde?«, im Sinne von »Warum zerstören sie unser
Leben?« Katrin antwortete: »Ich hab ihn nur über die Weihnachtsfeiertage. Es
ist ein Notfall.« - »Wem gehört er?«, fragte die Mutter und glättete von innen
die beiden äußersten der zwölf Falten. »Einem alten Freund von mir«, erwiderte
Katrin. »Er muss dringend verreisen.« - Wie heißt er?«, fragte die Mutter. »Der
Hund?«, fragte Katrin. »Der alte Freund«, erwiderte die Mutter. (Bei »alte«
tauchten die beiden äußeren Falten wieder auf.) »Max«, sagte Katrin gleichgültig,
»ein alter Studienkollege«. - »Von einem Max hast du nie erzählt«, behauptete
die Mutter. »Hab ich nicht?«, fragte Katrin. »Nein«, wusste die Mutter. »Ist er
verheiratet?« - »Keine Ahnung«, sagte Katrin, gähnte, schaute auf die Uhr und
musste noch dringende Einkäufe erledigen. -»Wegen Weihnachten reden wir noch,
Goldschatz«, drohte die Mutter. »Warum nur, Maus?«, fragte der Vater.
8.12.
»Warum
scheiden Tierheime eigentlich aus?», fragte sich Max am
Samstagvormittag, als es schneite, ohne dass er davon erfuhr. Er hatte die
Jalousien heruntergelassen, um nicht an Weihnachtseinkäufe denken zu müssen.
Es war der »zweite lange Einkaufssamstag«. Wer klug war, kaufte jetzt. Da alle
klug waren, kauften alle jetzt. Max hatte die Jalousien heruntergelassen, um
ungestört nicht so klug zu sein wie alle anderen.
Warum
schieden Tierheime also eigentlich aus? »Tierheim?«, fragte er Kurt, der unter
seinem Sessel lag und schlief. Da Kurt nicht reagierte, war es ihm
offensichtlich egal ob Tierheim oder nicht. Und langsam war es Max ebenfalls
egal, es hatte sogar seine Vorteile. Für »Treue Augenblicke« würde dies eine
dramatische Serie unter dem Motto »Wie Kurt im Halbschlaf zwei Wochen Tierheim
überlebte« abwerfen. Und vielleicht wäre Kurt danach abgehärtet genug,
wenigstens ein Mal täglich freiwillig Gassi mitzugehen.
Was Max
und Weihnachten und die Malediven betraf, war die Entscheidung gefallen. Er
hatte eine ideale Insel gefunden (und per Internet gebucht). Es war die einzige
Insel, die seine finanziellen Grenzen zwar aufzeigte und aufweichte, aber nicht
sprengte. Und dort war noch Platz für ihn frei. Das heißt: Dort war Platz
ausschließlich für ihn frei. Es gab exakt eine Not-Unterkunft mit einem
Not-Bett. (Alle redeten vom Single-Urlaub, Max würde ihn machen.) Einsam? Aber
nein! Tagsüber würde er ohnehin von Tauchern umgeben sein, und er selbst würde
ebenfalls einen Tauchkurs absolvieren. (Die Rechnung würde er seinen
Großeltern nach Helsinki schicken.)
Vielleicht
würde er unterhalb des Meeresspiegels eine Frau kennen lernen - nichts Ernstes
natürlich, einfach nur eine Urlaubsbekanntschaft. Sie könnten sich unter Wasser
umarmen und einige Dinge mehr tun. (Sauerstoff würden sie ja wohl genug
dabeihaben.) Max hätte diesbezüglich keine Hemmungen. Es hätte jeder sein
eigenes Mundstück, die Tauchgefährtin wäre oral ausgelastet und käme gar nicht
auf dumme Gedanken. So könnte also nichts passieren, man könnte der gemeinsamen
Phantasie freien Lauf lassen und man müsste sich danach nicht einmal duschen.
Und wenn sich die Taucherin unter Wasser einmal in ihn verliebt hatte, dann
könnte er sie ja bitten, ob sie so nett wäre, den Schnorchel auch an Land im
Munde zu behalten. Dann würde er ihr sein Zimmer zeigen, sie könnten die Nacht
miteinander verbringen, die Insel gehörte praktisch ihnen beiden. Sie würden
dann gleich dort bleiben und eine eigene Tauchbasis errichten -
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