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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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bei ihm
an.
    Niemand
meldete sich. Vielleicht ging er gerade mit Kurt Gassi. Oder er stand unter der
Dusche. Oder er war mit seinen Pin-ups beschäftigt. Zehn Minuten später
versuchte sie es noch einmal und da meldete er sich sofort: »Bei Max.« -
    »Hallo,
Katrin spricht, wenn das noch gilt, das mit dem Kuchen, würde ich vor der
Arbeit gerne kurz vorbeikommen, wenn es nicht stört. Ich würde gleich losgehen.
Aber wirklich nur, wenn es nicht stört.« - Es störte nicht.
     
    Sie war
eine Dreiviertelstunde bei ihm. Sie sprachen hauptsächlich über den
Birnenkuchen. Er schmeckte erstaunlich gut, überhaupt nicht nach Birnen, das
musste man erst einmal so hinkriegen, lobte Katrin. »Birnen schmecken ja eigentlich
nach nichts«, meinte Max. Nur deshalb verwendete er sie. Ein Obstkuchen sollte
seiner Ansicht nach nicht nach Obst, sondern nach Kuchen schmecken. Denn wer
Obst essen wollte, sollte Obst essen, der brauchte keinen Kuchen dazu, war sein
Standpunkt.
    Katrin
nickte, teils einsichtig, teils höflich, meinte dann aber doch: »Eigentlich
hättest du die Birnen weglassen können.« (Hatte sie »du« gesagt?) »Da hast du
an sich Recht«, erwiderte Max (somit waren sie per du). »Aber wie nenne ich den
Kuchen ohne Birnen?«, fragte er. »Sage ich: >Ich habe einen Kuchen gemacht<,
so fragen mich die Leute: >Was für einen Kuchen?< Und dann müsste ich
zugeben: >Ach, einfach nur einen Kuchen.< Da würde mir schon bei der
eigenen Ansage die Lust darauf vergehen.« Katrin nickte, teils einsichtig,
teils verständnisvoll, teils höflich.
    »Oder die
Leute fragen erst gar nicht nach«, setzte Max fort, »sie denken: >Aha,
Kuchen, einfach nur ein Kuchen, sonst kann er nichts, der Kuchen. Nicht einmal
ein Schokoladekuchen, einfach nur ein Kuchen. Gott, wie langweilig!< Die
Leute wären enttäuscht, bevor sie noch ein Stück davon gekostet hätten.
Möglicherweise würden sie gar nicht auf die Idee kommen, von dem Kuchen zu kosten.
Wozu mache ich dann überhaupt einen Kuchen?«, fragte Max. - Wenn ihn Katrin
richtig verstanden hatte, so brauchte er also die Birnen primär, um
»Birnenkuchen« sagen zu können.
    »Hast du's
schon einmal mit Stachelbeeren probiert?«, fragte Katrin. »Stachelbeeren
schmecken auch nach nichts. Sie schmecken sogar noch mehr nach nichts als
Birnen.« Max horchte auf und sah sie an. Dabei wurden seine Augen groß. Er
hatte große Augen, wenn er sich bemühte, dachte Katrin. »Und
>Stachelbeerkuchen< klingt fast noch besser als >Birnenkuchen<,
finde ich«, meinte Katrin. »Aber Stachelbeeren sind schwer zu kriegen, sie
haben selten Saison«, erwiderte Max. Da hatte er Recht. Es war eine gute
Diskussion, fand Katrin. Leider wurde die Besuchszeit bereits knapp. Katrin
musste in die Ordination.
    »Und hast
du einen Freund?«, fragte Max. Die Frage war unverschämt, dachte Katrin und
fragte: »Wieso?« - »Ich hätte ihm gerne ein Stück Birnenkuchen mitgegeben«, erwiderte
Max. »Er isst keinen Kuchen«, erwiderte Katrin und fragte sich, wie sehr nun
offen geblieben war, ob sie einen Freund hatte oder nicht. Es sollte möglichst
weit offen geblieben sein, hoffte sie. »Schade«, sagte Max. Schade, dass sie
einen Freund zu haben schien, oder schade, dass er keinen Kuchen aß?, fragte sich
Katrin.
    »Ich habe
keine Freundin«, setzte Max in überraschend heiterem Tonfall fort. Katrin
dachte an die Pin-ups und hätte gerne »Warum nicht?« gefragt. Aber das wäre ein
Stilbruch gewesen. Sie sagte besser »Ah so« und versuchte ihm einen Blick zuzuwerfen,
den er als wertneutrale Zurkenntnisnahme auffassen würde. Er drehte sich zu
Kurt und sagte: »So ist es Kurt, nicht wahr?« - Für solche Sätze zahlte es
sich aus, Hunde zu besitzen, dachte Katrin.
    Kurt
erwiderte nichts. Er lag unter seinem Sessel und schlief. »Was hat er
eigentlich?«, fragte Katrin. »Nichts«, sagte Kurt. »Leider.« - »Aber du liebst
ihn«, meinte sie.
     
    »Ich?«,
fragte Max. Das hatte ihm offenbar noch niemand unterstellt.
    Beim
Verabschieden drückte er ihre Hand länger als notwendig, fühlte Katrin. Sie
hatte kein Problem damit. Sie fand Max nicht uninteressant. Sie kannte ihn
nicht. Er hatte noch nichts von sich verraten (außer dass er keine Freundin
hatte, aber was sagte das schon über einen Menschen aus?). Sie war sicher,
dass er absichtlich nichts von sich verriet, nicht weil er es nicht konnte.
Somit stand es im Nichts-von-sich-Verraten unentschieden. Das war gerecht.
»Man sieht sich«, sagte sie. »Würde mich

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