Glattauer, Daniel
freuen«, erwiderte Max. Katrin freute
sich schon jetzt. Außerdem mochte sie Kurt. Er war ihr Lieblingshund. Er nahm
ihr die Scheu vor Weihnachten.
12.12.
Die
Straßen waren frisch geölt vom Nieselregen, aber es half nichts. Kurt musste
Max ins Büro von »Leben auf vier Pfoten« begleiten. Sie mussten die
wöchentliche Kolumne »Treue Augenblicke« verfassen. Max brauchte Kurt diesmal
persönlich, denn er hatte noch keine Idee, was an schriftlich Verwertbarem er
seinem Deutsch-Drahthaar entlocken konnte. Er war auf jede Regung des Hundes
angewiesen, auf jede seiner täglichen drei.
Kurt ging
nicht gern in ein Büro, schon gar nicht im Winter, schon gar nicht, wenn der
Boden nass, rutschig und dreckig war - und schon gar nicht in jenes von »Leben
auf vier Pfoten«. Dort waren die Menschen in unerträglicher Weise
anlehnungsbedürftig. Sie liebten Tiere so sehr, dass sie vor Freude tanzen,
singen, springen und manchmal sogar weinen mussten, wenn sie eines sahen.
Überhaupt wenn sie Kurt sahen. Er war ihr Lieblingstier. Denn er konnte sich
nicht wehren. Es war ihm zu anstrengend. Und gegen die vielen streichelnden,
abgrabbelnden, knuddelnden, grapschenden Hände der »Leben-auf-vier-Pfoten«-Mitarbeiter
hätte er ohnehin niemals eine Chance gehabt. Also ließ er die Zuwendungen über
sich ergehen.
Außerdem
gab es dort die Siamkatze Deneuve, von der es hieß, sie sei »nur ein bisschen
verspielt«, aber »gutmütig«. Auch von Kurt hieß es, er sei »gutmütig«. Die Leute
wussten gar nicht, wie knapp er manchmal daran war, ihnen anhand von Deneuve
das Gegenteil zu beweisen. Deneuve trieb ihn mit ihrer Verspieltheit an den
Rand des Wahnsinns. Sie sprang ihn an, hängte sich an seinen Hals, schleckte
ihn ab, biss ihn in den Schwanz, rieb ihren Kopf in seinem Fell und wischte
sich dabei ihre abgestandenen »Sheba«-Speisereste ab. In diesen Situationen
war Kurt überzeugt, dass Deneuve einmal »daran glauben« werde müsse. Ein
einziger Biss in die Kehle und es würde für immer Ruhe herrschen, wusste er.
Aber was, wenn er nicht punktgenau traf? Dann raste sie quietschend herum, er
musste ihr nachjagen, überall Katzenblut - vor dieser Vorstellung grauste ihm.
Also ließ er die Torturen über sich ergehen. Meistens stellte er sich
schlafend, da wurde es Deneuve dann ohnehin bald zu blöd. Meistens schlief er
auch tatsächlich ein.
Auch Max
kannte angenehmere Gesellschaften als jene von »Leben auf vier Pfoten«. Die
Kollegen, großteils allein stehende, nach Katzenstreu riechende Pensionistinnen
mit Papageienstimmen, trauten ihm nicht. Aus ihren argwöhnischen Eulenaugen
blinzelte der stete Verdacht auf Tierquälerei. Sie betrachteten jede seiner
Gesten und Handgriffe Kurt gegenüber, um sofort einzugreifen und allenfalls
Anzeige zu erstatten. Sie hatten Max nie verziehen, dass er sich Kurt eigens
angeschafft hatte, um daraus journalistisches Kapital zu schlagen und sich
eine ständige Einnahmequelle zu verschaffen. Für sie war, was er mit Kurt
trieb, mit Prostitution und Ausbeutung gleichzusetzen, ja schlimmer noch, denn
ein Tier konnte sich weniger wehren als ein Mensch und Kurt offensichtlich
noch weniger als ein anderes Tier.
Die
schreiberische Herausforderung beim Verfassen der Kolumne war so groß, dass
sich Max wöchentlich wunderte, sie doch immer wieder aufs Neue anzunehmen. Das
Zielpublikum (sofern man von »Publikum« sprechen konnte) waren Kinder aus
ärmlichen Verhältnissen, die sich die drittklassigen Tierfotos ausschnitten,
und Rentner über sechzig, die mit dem Papier von »Leben auf vier Pfoten« die
Kisten ihrer Schildkröten, Meerschweinchen und Hauskaninchen auslegten. Max
hatte also das Problem, nicht genau zu wissen, für wen er »Treue Augenblicke«
eigentlich verfasste. Kurt, er, seine Freunde und seine Kollegen schieden von
vornherein aus und Leser gab es keine.
Als Max
vor dem Bildschirm saß und Kurt dabei beobachtete, wie er keine Anstalten
machte, eine Regung zu zeigen, die sich beschreiben ließ (er schlief, Deneuve
fauchte im Nebenzimmer, die Türe war verschlossen), da dachte er an Katrin. Das
passierte ihm seit dem gemeinsamen Birnenkuchen öfter. Sie gefiel ihm
irgendwie. Das »irgendwie« dachte er sich vorsichtshalber dazu. Er wusste
genau, wie sie ihm gefiel. Aber dieser Gedanke war unerlaubt. Katrin war eine
Geschäftspartnerin in Sachen Kurt und Weihnachten (über die Bezahlung hatten
sie eigentlich noch gar nicht geredet).
Dazu war
Katrin eine Frau, in die
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