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Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
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sich Max nie verlieben konnte, weil ... Warum
eigentlich nicht? - Egal, er konnte es jedenfalls nicht, er war richtig
empört, dass das überhaupt eine Möglichkeit zu sein schien. Solche Möglichkeiten
setzten ihn unter Druck. Außerdem hatte sie einen seltsam im Hintergrund
befindlichen Freund (der keinen Birnenkuchen mochte; was freilich auf einen
schlechten Charakter und mangelnde Genussbereitschaft schließen ließ). Außerdem
war sie eine Frau, die man garantiert küssen musste, eine Frau, die es ohne
Kuss niemals tun würde, eine Frau, an deren Mund es kein Vorbei gab, eine
Frau, die sicher nie an die Liebe glaubte, ohne dabei ans Küssen zu denken. Max
schüttelte sich vor dem Bildschirm. Kurt, der Platz genommen hatte, hob eine
Augenbraue etwa einen halben Millimeter, um sicherzugehen, dass er nichts
versäumte. Das war noch nicht die Regung, auf die sich der neue Teil von »Treue
Augenblicke« aufbauen ließ.
    Aber Max
musste vor sich selbst zugeben, dass es ein schöner Gedanke war, Katrin
weihnachts- und kurtgeschäftspartnerschaftlich die Hand auf die Wange zu legen
und ihr dann sachte übers Ohr zu fahren, ihre schwarzen Haarspitzen entlang auf
den Hinterkopf, vielleicht noch ein Stück tiefer auf den Nacken. Und unter dem
Pulloverkragen, wo sich ihre Haut besonders warm anfühlte, da sich dort jede
Haut besonders warm anfühlte, würde er innehalten und die Augen schließen. Und
- kein Kuss! ja, das war ein schöner Gedanke.
    Kein
schöner Gedanke war die Hundekolumne. Kurt war fest entschlossen, auch
weiterhin keinen Beitrag dafür zu leisten. Also begann Max zu schreiben. Er
stellte sich seine Leserin vor und schon ging es. Er schrieb diesmal exklusiv
für eine imaginäre 75-jährige Hundebesitzerin, die gerade ihre neue Lesebrille
ausprobierte und rein zufällig bei »Treue Augenblicke« hängen geblieben war.
Sie sollte bei der Lektüre nicht bereuen, dass sie für ihren Sehtest »Leben auf
vier Pfoten« und nicht etwa das Telefonbuch gewählt hatte - das war sein Ziel.
     
    TREUE AUGENBLICKE, Teil 83
    Titel:
Kurt wünscht sich ein Frauerl fürs Herrl.
    Text:
Hallo liebe Tierfreunde, liebe Hundeliebhaber, liebe
Deutsch-Drahthaar-Verbündete! Ich kann euch beruhigen. Kurt ist gesund. Er hat
diese Woche besonders brav gegessen. Einmal hat er sogar Schweinshaxen
bekommen, da hat er nur die Borsten übrig gelassen. Wir essen ja bei den
Rindsrouladen auch nicht die Zahnstocher mit, nicht wahr. Und er war auch immer
brav Gassi, er hat jedes Mal schön das Bein gehoben und weggestreckt, damit
sich sein Herrl daheim das Abduschen sparen konnte. Unsere Hunde sind ja doch
viel reinlicher als ihr Ruf.
    Kurt war
ein braver Hund. Er hat in dieser Woche kein einziges Mal gebellt. - Da könnte
sich der Opa ein Beispiel nehmen, nicht wahr. Er hat viel geschlafen. Das ist
gut für sein Fell, es kriegt dann einen besonders schönen Glanz. Und wir
vergönnen es Kurt. Es sind ja jetzt die kurzen Tage und die langen Nächte ins
Land gezogen, an denen sich Kurt gar nicht früh genug niederlegen kann, um gar
nicht spät genug wieder aufstehen zu können.
    Sind
unsere Hunde nicht zu beneiden? Keine Weihnachtseinkäufe, keine Hektik, kein
Gedränge, keine nervenaufreibenden Stunden im Verkehrsstau. Ja, an so einem
grauen Dezembertag, würden wir da nicht alle gern mit unseren Vierbeinern
tauschen? Ja, das würden wir. Nur, wie singt doch Reinhard May so schön: Den
Kühlschrank müsste man uns schon aufmachen, wenn wir Hunde wären. Aber Spaß
beiseite.« (Max biss sich in die Unterlippe, bis es weh tat.)
    »Manchmal
fühlt sich Kurt schon sehr einsam mit seinem Herrl. So wie Kinder Vater und
Mutter brauchen ...« Max hielt inne. Konnte er das wirklich schreiben? Er blickte
zu Kurt. Der lag unter einem Bürosessel und schlief. Deneuve kratzte an der Tür
des Nebenzimmers. Kollegin Eleonore Königsberger, die Hamster-Päpstin von
»Leben auf vier Pfoten«, beschwerte sich zwei Räume weiter (aber laut genug)
über die hamsterunwürdige Hamsterhaltung in den Hamsterhandlungen und über
Hamsterkäufe an sich. Ihre Stimme schien eine heisere kaukasische Saatkrähe zu
imitieren. - Max hatte keine Wahl. Er musste schreiben, ohne zu denken. Er
musste rasch fort von hier.
    »So wie
Kinder Vater und Mutter brauchen, so wünscht sich ein Hund zum Herrl ein Frauerl.
Während Herrl mit ihm Gassi geht, richtet Frauerl schon das Essen her. Im Bett
weiß unser vierbeiniger Liebling endlich, wo er hingehört - genau in die
Mitte. Und beim

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