Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glattauer, Daniel

Glattauer, Daniel

Titel: Glattauer, Daniel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Weihnachtshund
Vom Netzwerk:
heiser und erwartungsvoll
gehaucht. Sie saß auf ihm, er war in ihr.
    Er schloss
die Augen und ließ seine Hände wie ferngesteuert alles tun, was ihr Seufzen
und Stöhnen verstärken konnte. Ihm juckte der Angstschweiß im Gesicht, ein
paar heftige Übelkeitsattacken hatte er bereits erfolgreich hinuntergewürgt. So
lange hatte er sich noch nie gehalten. Ihre Bewegungen auf ihm wurden heftiger.
Wieder konnte er kurze Zuckungen der Lust genießen. Da kam ihre Zunge auch
schon seinen Hals hinaufgekrochen. Er presste sein Kinn hoch, um ihr den Weg
abzuschneiden. Die Hürde nahm sie mühelos. Das Kussmartyrium ging weiter.
    Max
standen die Tränen in den Augen. Er versuchte es ein zweites Mal mit der Flucht
zu Katrin. Wie war der Traum? Wo war er stehen geblieben? Katrin wollte Kurt
und war dafür bereit, Max jeden Wunsch zu erfüllen. »Also sag schon, was soll
ich tun?«, fragte sie ihn. Aus den Sehschlitzen ihres gelben Raumanzugs
leuchteten ihre mandelförmigen Augen. (Hatte sie mandelförmige Augen?) »Du
legst dein Hände auf meinen Nacken und fährst mit allen zehn Fingernägeln ganz
langsam meinen Rücken herunter«, dachte er sich sagen. Wie sie ihn ansah!
»Würdest du das für mich tun?«, dachte er sich fragen. - Da warf sie ihm einen
durchdringenden Blick zu, holte Luft und schrie und hörte nicht mehr auf zu
schreien: »Jaaa. Jaaa. faaa ...« - Natalie bäumte sich auf, riss den Kopf
zurück, presste ihre Beine um seine Hüften, spreizte ihre Finger und stützte
sich mit den Handballen an seinen Schultern ab. Noch dreimal, langsamer, nicht
mehr so laut, schon etwas mehr bei Sinnen: »Jaaa. Jaaa. Jaaa.« Dann ließ sie
sich erschöpft auf ihn fallen und legte ihr überhitztes Gesicht an seine Brust.
    Max
spürte, wie die Übelkeit ihren Spiegel senkte und an Stärke verlor. »Das war
heftig«, hauchte Natalie. Sie hatte nichts bemerkt. Max weinte vor triumphaler
Freude und ausgestandener Angst. Sicherheitshalber ließ er die Augen noch eine
Zeit lang zu. Sicherheitshalber blieb er mit seinen Gedanken noch ein bisschen
bei Katrin. Hätte sie es getan?
     
    13.12.
     
    Katrin
wachte auf und fragte sich, wozu. Es begann ein Tag, von dem sie schon mit
geschlossenen Augen wusste, dass er nicht heller werden würde, wenn sie die
Augen öffnete. An solchen Tagen opferte man die Geborgenheit unter der
Bettdecke für die Gewissheit, dass es außerhalb nichts Befriedigenderes geben
würde, als Pflichten zu erledigen. An solchen Tagen unternahm man hundert
Anläufe sich einzubilden, dass man es gut erwischt hatte, dass alles in Ordnung
sei, dass man sich nicht beklagen dürfe. Das war das Allerschlimmste an solchen
Tagen: Sie ödeten einen ununterbrochen an, vom Zeitpunkt des unseligen Aufwachens
bis zur rettenden Umklammerung des Kopfpolsters in der darauf folgenden Nacht,
und man durfte sich nicht beklagen, denn man hatte es gut erwischt.
    Man war
zum Beispiel Augenarztassistentin und durfte sechs Stunden optisch-soziale
Fließbandarbeit verrichten, musste sich dabei seine gute Laune wie mit einem
Schraubschlüssel an der dafür verantwortlichen Stelle des Gehirns aufdrehen,
um den Patienten kundenservicemäßig zu veranschaulichen, was aus so einem
gottverdammt finsteren Dezembertag an Heiterkeit und Lebenslust herauszuquetschen
sei. Dafür erntete man bestenfalls Lob nach Schema Werbeprogramm, für blendend
weiße Zähne oder strahlend grüne Augen, häufiger aber noch Neid, weil die mieselsüchtige
Menschheit glaubte, man hätte es, heiter und lebenslustig, wie man sogar noch
an solchen Tagen zu sein schien, ganz besonders gut erwischt.
    Katrin
wachte auf und wünschte sich sofort ein Stück Birnenkuchen, um den bitteren
Geschmack der sinnlos mit ihr aus dem Schlaf gerissenen Vorweihnachtszeit
hinunterzuschlucken. Sie war trotzig wie ein kleines Kind, sie zappelte im
Bett und ihr war nach weinen zumute, weil es niemanden gab, der ihr am Beginn
dieses Tages, der nur zum Vergehen da war, ein Stück Birnenkuchen in den Mund
schob und ihr über die Haare fuhr. Warum rief er nicht an? Warum lud er sie
nicht wieder ein? Warum nicht jetzt? Worauf wartete er? Sie hatte nur noch eine
Stunde Zeit. Sie hatte es ja gut erwischt und durfte in Kürze den ersten ihrer
zwei Dutzend anstehenden Patienten begrüßen.
    Seine
E-Mail hatte sie erst am späten Abend gelesen. Ja, sie wäre gern mit Hund und Herrl
in den Esterhazypark gegangen, sie mochte diesen Kurt, wie er nichts tat, und
diesen Max, obwohl er nichts tat. Oder weil er

Weitere Kostenlose Bücher