Glatze mit Sommersprossen
Großmutter Agathe nicht, sie glaubte, daß es so sei. Beim spinnebeinigen Bonifatius, warum sollte ich sie nicht in dem Glauben lassen. Also spann ich den Faden an einer anderen Stelle weiter. „Falls ich während des Aufenthaltes in Piräus eine Möglichkeit zum Telefonieren finde, werde ich mich wieder melden!“
„Danke, Herr Pfiff, und geben Sie Jojo einen Klaps!“
Die zweite Verbindung klappte leider nur bis zum Rufzeichen. Frau Steckel war offensichtlich nicht zu Hause, und so konnte ich sie nicht fragen, wie es meinem Knorpelfresser Pinsel ging.
Dieser Tag war wohl einer jener, wo mich mein „todsicheres Gefühl für bevorstehende unangenehme Ereignisse“ im Stich ließ. Entweder lag das an meiner überdurchschnittlich guten Laune oder aber am leichten Ziehen rechts unter dem Herzmuskel. Das typische Signal für Hunger. Dabei war der Speisewagen noch gar nicht so lange her.
Das Treiben auf dem Pier schien noch dichter und das Sprachengewirr noch bunter geworden. Und mittendrin: ich! Ich, der kleine, dicke Meisterdetektiv, der drauf und dran war, eine gemütliche und lustige Seefahrt anzutreten. Hieß es doch schon in dem Lied: Eine Seefahrt, die ist lustig, eine Seefahrt, die ist schön, da kann man die... Es traf mich voll und schmerzhaft in Herz, Aug’ und Magen:
Jojo war verschwunden!
Meine Beine rannten bereits, ohne daß ich ihnen den Befehl dazu gegeben hatte. Heiliges Kano... Irrtum ausgeschlossen! Es war die richtige Bank! Die Gedanken in meinem Kopf polterten durcheinander wie die Kugeln in der Lottotrommel.
Wieso war Jojo nicht mehr da? Warum saß dieser verflixte Sohn eines Zauberkünstlers nicht mehr auf der Bank, auf die ich ihn gesetzt hatte?
Gott, wie mich die 14,9 Sekunden für hundert Meter anstrengten. Wenn ich so weiterrannte, würde mir die Lunge glatt die Magenwand durchschlagen.
Das Gepäck stand nach wie vor auf der Bank. Ich ließ im Dahinrasen meine Augen rotieren. Männer, Frauen, Kinder, Uniformierte, ein Wagen mit Südfrüchten... mein Herz... Wo würde man mich begraben, bekäme ich jetzt einen Herzschlag?
Mit welchem Recht ließ mich Philip Matolla, genannt Jojo, so rennen? War ich Pinsel? Ein Rennwagen? Ein... Nein, es fehlte nichts... bis auf Jojo.
Ein älterer Herr musterte mich. Nicht mitleidig, nein, mißtrauisch! Ich kletterte auf die Bank und drehte mich im Kreis... Da traf ein Schlag meine Kniekehle... Na ja, vielleicht nicht gerade ein Schlag, mehr ein Schlägchen oder noch genauer: Der ältere Herr hatte mich angetippt.
„Suchen Sie Ihren Neffen?“ Er sprach deutsch und langsam. Der Schreck und die mangelnde Luft ließen nur ein Nik-ken zu.
„Ich soll auf sein Gepäck aufpassen, bis sein Onkel, der Fürst Baldi, käme. Entschuldigen Sie, sind Sie dieser Fürst, ich meine, der Onkel?“
Nicht mal zum Zähneknirschen reichte meine augenblickliche Kraft. Also nickte ich wieder.
Der Herr streckte seinen Arm aus. „Er ist in diese Richtung gerannt.“
Es war genau die Gegenrichtung, aus der ich gekommen war. „U... U... Und... w... warum?“ keuchte ich.
Der ältere Herr zuckte bedauernd und ratlos die Schultern. „Er schien sehr in Eile zu sein. Sah aus, als habe er vor, jemanden zu verfolgen!“
„Bitte“, schnaufte ich, „könnten Sie noch einmal auf das Gepäck achten...“
Er schränkte ein: „Gern, wenn es nicht zu lange dauert. Ich warte nur auf meine Tochter. Wir wollen dann an Bord der APHRODITE gehen.“
„Oh, das hatten wir auch vor!“ Ich hetzte in die angegebene Richtung, nicht ohne die großen ängstlichen Augen von Großmutter Agathe im Rücken zu spüren. Während mir der Schweiß in dicken Bahnen über den Körper rann, überlegte ich, welches Geheimnis hinter Jojos Verschwinden stecken mochte.
Eine halbe Stunde lang hastete ich über das Pflaster, sah in Schuppen, in geparkte Autos, hinter Bretterwände, in Hallen und hinter Stückgutpyramiden. Vergeblich. Jojo blieb verschwunden. Atemlos machte ich mich auf den Rückweg. Entschlossen, die Hafenpolizei zu alarmieren!
Bank leer — Gepäck weg
Auf dem Rückweg wog ich bereits fünf Zentner. So schwer kam ich mir vor. Pfeifend keuchte ich am letzten Schuppen der rechten Pierseite entlang. Hatte ich den passiert, würde ich die Bank sehen können. Vielleicht war Jojo inzwischen wieder aufgetaucht.
Ich hielt für einen Augenblick inne, lehnte meine gequälten 199 Pfund an eine Säule aus Kisten und dachte schweratmend über mein trauriges Schicksal nach. Was sollte
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