Glatze mit Sommersprossen
Goulasch verspeiste, spielte ich zur Verdauung ein Viertelstündchen auf meiner Mundharmonika und danach eine Stunde Streichholzpoker mit Jojo. Ich gewann nur ein einziges Mal. Aber den Beweis, daß Jojo mogelte, konnte ich nicht erbringen. Entweder spielte er wirklich ehrlich und hatte Glück, oder aber er mogelte so genial, daß ich selbst mit sechs Augenpaaren nicht dahintergekommen wäre.
Fahrplanmäßig, auf die Sekunde genau um 17.07 Uhr, rollte unser Expreß im Bahnhof von Ancona ein. Bis zum Auslaufen der APHRODITE blieben noch knapp drei Stunden Zeit. Es herrschten viel Lärm und grenzenlose Betriebsamkeit in dieser italienischen Hafenstadt.
Der Taxifahrer, der uns zum Pier brachte, schien seine Hupe über alles zu lieben, denn er drückte sie auch dann, wenn von keiner Seite Gefahr für sein schwarzlackiertes Blech drohte.
Auf dem Pier herrschten Hektik und Sprachengewirr. Noch immer blieb uns eine Menge Zeit bis zum Auslaufen des Schiffes, und da kam mir eine Idee: Ich packte Philip samt Gepäck auf eine der Bánke, die sich gegenüber der APHRODITE befanden, und sagte: „Rühr dich nicht vom Fleck, Jojo! Beobachte die Menschen und mache dir Notizen! Ich bin in einer Viertelstunde wieder zurück.“
„Willst du dir schon wieder was zum Essen kaufen gehen?“ fragte er schnippisch.
„Nein, Frechdachs, ich geh’ mal telefonieren!“
Philip strahlte mich spitzbübisch an. „Sag Großmutter, daß ich bis jetzt ganz zufrieden mit dir bin...“
Ich wandte mich schnell ab, damit er mein vergnügtes Grinsen nicht sah. Mit eiligem Links-zwo-drei-vier marschierte ich in Richtung der Telefonzellen. Bei Hieronymus, dem Dreibeinigen, ich konnte doch nicht voraussehen, was auf der Bank geschehen würde...
Ein geheimnisvoller Zwischenfall
Die Telefonzelle für die handvermittelten Auslandsgespräche war dort, wo die Freunde vom Zoll mit ihren Schnüffelnasen herumstocherten. Vor mir rangierte einer, der telefonierte, dann kam ein Franzose und vor mir eine Dame aus dem Rheinland.
Na, wie sich ein Meisterdetektiv doch irren konnte. Obwohl die Dame ihrem Vordermann pausenlos in den Rücken flüsterte, rührte der sich nicht. Also dachte ich: Der scheint böse zu sein mit der Schwarzhaarigen. Doch als dann der Franzose an der Reihe war und die Schöne vom Rhein weiterbrummelte, wußte ich, daß ich hinter einer Spezialistin für Selbstgespräche parkte.
„Oui!“ brüllte der Monsieur ein ums andere Mal ins Telefon und nickte dabei so heftig, daß ihm bei jedem Oui die Mütze in die Stirn rutschte. „Oui!“... Oui!“...
„Oui!“ Endlich, nach dem siebzehnten oder achtzehnten Oui wuchtete er den Hörer auf die Gabel und schoß heraus, mittendrauf auf das reife Frauchen aus Bonn oder irgendwo dort.
„Pardon!“ sagte der Franzose böse, und die Getretene stieß ein entrütetes „Mensch!“ aus, bevor sie ihrerseits in der Zelle verschwand. Sie sprach mit einer Lene zuerst über einen Schlüssel und im Anschluß daran über einen gewissen „schlafmützigen“ Paulimann. Als sie die Zelle verließ, fauchte sie mir ein unfreundliches „Bitte!“ entgegen und hüllte mich für Sekunden in zwei Sack Geringschätzung.
Na, und was tat ich, der friedliche Baldi? Ich sagte: „Merci, Madame!“ Und sie, leise brummend: „Mensch, noch ‘n Franzose…“
Agathe Mallinger, Jojos Großmutter, meldete sich nach dem zweiten Klingeln.
„Hier grüßt der Meisterdetektiv!“ ließ ich sie wissen, und aus Deutschland drang ein spitzer Ruf nach Italien. „Oh, Herr Pfiff, sind Sie schon auf dem Schiff?“
„Nein, aber dicht davor!“
„Und, ist bis jetzt alles gutgegangen? Ich meine mit Philip?“ Heiliges Kanonenröhrchen, nichts war so berechtigt wie diese Frage. „Natürlich, alles in Ordnung!“ übertrieb ich. Wie sollte ich auch wissen, daß sich just in diesem Augenblick schreckliche Dinge ereigneten...
„Philip und ich sind ein Herz und eine Seele!“
„Das freut mich!“ Hm, hörte sich ein bißchen ungläubig an. „Wie ist denn das Wetter in Ancona?“ Endlich eine Frage, die ich mit hemmungsloser Wahrheit beantworten konnte: „Es ist ein Wetter zum Malen. Warm bis heiß, und das Meer riecht richtig nach Wasser!“
Ich hörte Frau Mallinger durch den Draht kichern. Und dann wollte sie wissen: „Und was tut Jojo jetzt?“
„Er sitzt auf der Bank, bewacht das Gepäck und beobachtet die Menschen!“
„Sie können ihn also vom Telefon aus sehen? Na, Gott sei Dank!“ Wie gesagt, das fragte
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