Glatze mit Sommersprossen
Plötzlich blinkte es vor meinem Gesicht auf, fiel zu Boden und rollte weg. Hier!“ Er streckte mir zwischen Daumen und Zeigefinger ein Zweihundertlirestück entgegen. „Ich habe mein Augenzeugenbuch zur Seite gelegt und bin hinter der Münze her. Und als ich sie dann dem Verlierer zurückgeben wollte, war keiner da, dem sie gehörte.“
„Und dein Buch war weg!“
Er nickte. „Eine Frau, so eine uralte mit weißen Haaren, sagte etwas in Spanisch und zeigte dort in diese Richtung. Ich habe ganz laut ,so’n Mist!“ gerufen, und da hat mich ein Mann gefragt, ob er mir helfen könne.“
Ich fuhr fort: „Jojo aber antwortete: Passen Sie bitte auf die Koffer auf, bis mein Onkel, der Fürst, kommt!“
Jojo grinste wie damals der kleine Manuel, als ihm ein kurzsichtiger amerikanischer Tourist fürs Schuheputzen hundert Dollar in die Hand drückte. Und das nur, weil er aus Faulheit seine Brille nicht aufgesetzt hatte.
„Der Fürst war ja nur ein Witz, weil der Mann so vornehm tat.“
„Ich nehme an, daß du vergeblich nach dem Dieb mit deinem Augenzeugenbuch gesucht hast.“
Jojo sah mich mit einem rätselhaften Blick an.
„Den Dieb habe ich nicht gefunden, Onkel Baldi, aber mein Tatort- und Augenzeugenbuch!“ Er weidete sich an meiner Verblüffung. „Jetzt ist es nämlich auch ein Tatortbuch!“ Seine Blicke wurden noch rätselhafter: „Du wirst nie erraten, was der Dieb mit meinem Buch gemacht hat, nie!!!“
Jojo sollte recht behalten...
Glatze mit Sommersprossen
„Vielleicht ist er darauf herummarschiert“, vermutete ich. Doch Jojo schüttelte seinen Lausbubenkopf.
„Hat er es ins Wasser geworfen, und du hast es wieder herausgefischt?“
Wieder Kopfschütteln. „Er hat alle beschriebenen Seiten herausgerissen!“
Ich sah es Jojo an, daß er die Wahrheit sprach, und ich fragte mich, welcher Sinn hinter einer solchen Tat stecken konnte. Warum stahl man einem Jungen ein Buch, in das sich dieser Notizen schrieb?
„Gehen wir an Bord, im Liegen kann ich besser nachdenken!“ sagte ich und schlug die Richtung zum Fallreep ein.
Der Schiffsoffizier oben an Deck lachte Philip schon von weitem zu.
„This is my uncle, Sir!“ meldete Jojo theatralisch und boxte mich dabei in die Seite. Der „Sir“ salutierte und stieß ein zackiges „Hello, uncle!“ hervor.
Fünf Minuten später erreichten wir die Zweibettkabine, unser Zuhause für die nächsten dreieinhalb Tage. Und ich muß gestehen, daß es ein elegantes Zuhause war. Ich probierte zuerst behutsam, dann mit Nachdruck und schließlich zufrieden eines der Betten aus.
„Im Bad läuft auch heißes Wasser!“ rief Jojo und warf sich mit einem Riesensatz auf das zweite Bett. „Soll ich dir Wasser einlassen, Onkel Baldi?“
„Erstens muß ich mich jetzt erst einmal von der Suche nach dir erholen, und zweitens geht mir die Geschichte mit deinem Buch im Kopf herum!“
Jojo wippte sich von der Matratze, und nach einem schnellen Umweg über den Schrank saß er Sekunden später im Schneidersitz auf meinem Bettende. Das leicht angeschmutzte Augenzeugenbuch legte er mir auf den Bauch.
„Er hat es einfach zwischen zwei Kisten geschmissen!“
„Halunke!“ erwiderte ich und forschte: „Warum sagst du er? Es könnte doch auch eine Frau gewesen sein.“
„Das glaube ich nicht!“ Jojo stieß sich den Daumen gegen die Brust. „Ein Gefühl sagt mir, daß es ein Mann war.“ Er musterte mich gleichermaßen auffordernd wie gespannt. „Wenn du wirklich ein richtiger Meisterdetektiv bist, müßtest du wissen, warum man es gestohlen hat!“
Ein Detektiv, und ist er noch so tüchtig im Denken und Kombinieren, braucht auch Glück. Und ich, ei der Daus und heiliges Kanonenröhrchen, ich hatte Glück, denn ich entdeckte auf dem Buch einen entscheidenden Hinweis. Natürlich ließ ich mir nicht ein Böhnchen anmerken. Ich nickte nur schläfrig und sagte leichthin: „Es war wirklich ein Mann!“
Jojo fixierte mich und ließ zwischen seinen Augen eine steile Falte wachsen. „Du hast auch ein Gefühl?“
„Nein, ich bin sicher, daß es ein Mann war! Hier...“ Ich deutete auf einen dicken, breiten Daumenabdruck auf dem Einband. „Das ist der Daumen eines Mannes, Jojo. Er muß eingecremte Hände gehabt haben.“ Ich nahm das Buch hoch und ließ den Daumenabdruck drei-, viermal an meiner Nase vorbeiwandern. Jawoll, an meiner Nase, die ich schon für viel Geld hätte verkaufen können.
„Was machst du da?“
„Das siehst du doch, ich
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