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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Baldi!“
    „Ei das Däuschen, womit habe ich Ihren Unmut verdient, Teuerste?“ lächelte ich und nahm mir vor, Jojo über Bord zu werfen. Heute nacht würde ich es tun.
    „Sind Sie schon mal einem Nymphensittich im Kino begegnet? Oder beim Tanz?“
    Heiliges Kanonenröhrchen, ich hätte nie geglaubt, daß eine zufallende Kabinentür der ersten Klasse so viel Lärm machen kann. Hoffentlich hatte der Kapitän weggehört.
    Ich überlegte noch, ob ich über mein trauriges Los lamentieren oder Zähneknirschen sollte, als sich die Tür fast ebenso laut wieder öffnete.
    Wut und grenzenlose Enttäuschung standen Jojo ins Gesicht geschrieben. „Sie hat mich nicht angeguckt und mir nicht einmal geantwortet. Und das Fernglas hat sie mir auch nicht gegeben“, schimpfte Philip und warf sich in den Sessel.
    „Heute nacht schmeiße ich dich ins Meer!“ sagte ich. „Ich habe es satt, deine Albernheiten und skurrilen Ideen auszuba-den!’ sagte ich. „Und deiner Großmutter werde ich sagen, daß ich vor der Wahl stand: du oder ich!“
    Und Jojo? Der hörte überhaupt nicht zu. „Warum hat sie mir das Fernglas nicht gegeben, Onkel Baldi?“ schnauzte er mich an. „Es war doch ausgemacht!“
    „Sie hat gemerkt, daß ich kein Hellseher bin, Jojo!“
    „Wieso gemerkt? Du hast doch gesagt, du liest ihr die Zukunft!?“
    „Ich war mittendrin“, erklärte ich. „Lauter schöne unangenehme Sachen habe ich ihr prophezeit. Als ich von Gittern sprach, fing sie zu weinen an.“ Ich deutete Jojo mit Hilfe von Daumen und Zeigefinger die Größe von Kirschen an. „Solche Tränen hat sie geschluchzt!“
    „Wegen der Gitter?“ wollte er wissen.
    „Ja, wegen der Gitter und einer gewissen Fridoline. Nicht mal ein Meisterdetektiv wie ich konnte ahnen, daß die Fridoline eine Nymphensittichdame ist, und daß sie die Gitter mit dem Vogelbauer in Verbindung bringen würde.“
    Jojo zuckte mit den Schultern, zog eine Schnute, die seine grenzenlose Enttäuschung verdeutlichte, und sagte tiefbeleidigt: „Trotzdem hätte sie ja was sagen können.“
    Doch plötzlich strahlte er mich an. Ein Strahlen, das überhaupt nicht zu seinen Worten paßte: „Das kann ich mir natürlich nicht gefallen lassen, Onkel Baldi. Geschäft ist Geschäft!"
    Ich drohte mit der ganzen Dicke meines Zeigefingers: „Es reicht, Jojo. Wenn du nicht willst, daß ich dich als Freund und Detektivkollegen von der Liste streiche, dann verschone mich für den Rest der Fahrt mit irgendwelchen abenteuerlichen Einfällen.“
    Jojo nickte treuherzig. „Mit mir kannst du rechnen, Onkel Baldi!“
    Wie wahr er doch sprach. Und ich war überzeugt, daß ich eher einer schnupfenkranken Wühlmaus das Rückenschwimmen beibringen würde als Jojo einen harmlosen Tagesablauf.

    Es war ein Bilderbuchsonntag.
    Das Meer lag spiegelglatt vor uns, während sich über uns ein stahlblauer Himmel von einem Ende des Horizonts bis zum anderen spannte. Hätte ich Jojo für die Dauer der Reise tiefkühlen lassen, wäre diese sicher ein wahres Vergnügen gewesen. Hm, vielleicht eine Spur langweiliger, aber lieber ein langweiliges Vergnügen als das ständige Balancieren auf einem Pulverfaß.
    Einmal sahen wir von weitem Frau Schaller mit ihrem Bruder, dem prallgefüllten Leinenanzug. Und so, wie es aussah, schien der Lothar der Hilde eine Standpauke zu halten.
    „Hiergeblieben!“ rief ich und erwischte Jojo gerade noch rechtzeitig am Hemdkragen. „Für uns ist die Dame gestorben!“ sagte ich und behielt vorsichtshalber den Hemdkragen gleich in der Hand.
    So verbunden marschierten wir zum Mittagessen. Glücklicherweise hatte der kleine Zahnarzt (das „Harzerkäse-Gesicht“!) die Nahrungsaufnahme bereits beendet, was Jojo mit „schade“ kommentierte. Ich freute mich für den Zahnarzt.
    Das Essen war eine Offenbarung. Und wie schon am Abend zuvor speiste ich für alle meine verstorbenen Verwandten mit. Auch Philip griff ordentlich zu. Da sein Magen jedoch nur den Bruchteil an Größe des meinen hatte, war er auch eher gesättigt.
    „Ich geh’ ein bißchen lesen, Onkel Baldi!“ sagte er mit harmlosem Augenaufschlag.

    Ich nickte. Erst zwei Minuten später bemerkte ich, daß außer Jojo auch die Ketchupflasche verschwunden war. Allerdings maß ich dieser Entdeckung keine besondere Bedeutung bei.
    Eine halbe Stunde später brach auch ich auf. Aus Gründen der Verdauung schlug ich den Umweg über das Oberdeck ein. Und da stockte mir der Atem und das Blut gerann in meinen Adern.
    Ein

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