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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Fingernägel.“
    „Pfui!“ sagte ich, und noch einmal: „Pfui! Beim spinnebeinigen Bonifatius, wer schwarze Fingernägel herumträgt, der ißt auch tote Schwalben, und wer wiederum das tut, der stiehlt auch Brieftaschen.“
    Na ja, einen oder vielleicht auch zwei Atemzüge lang hielt mich der vornehme Herr Vandemer wohl für einen Spinner, doch dann rang er sich ein mageres Lächeln der Hoffnung ab.
    „Sie übernehmen also meinen Fall?“
    „Bei Poker und schwarzlackierten Fingernägeln kann ich einfach nicht widerstehen.“
    Er atmete auf, und richtig gelöst bot er an: „Sie können von mir verlangen, was Sie wollen. Von mir aus kann diese diebische Person das Geld aus der Brieftasche auch behalten. Was ich unbedingt wieder brauche, ist der Umschlag mit dem Dokument.“
    Ich ließ meinen Zeigefinger vorschnellen.
    „Und was ich brauche, sehr geehrter Herr Vandemer, wäre eine Fotografie von Ihnen. Am besten eine Porträtaufnahme.“
    „Ich bringe sie noch heute abend vorbei“, versprach er.
    Und nach einem erneuten Streifzug seiner Hände durch die rote Haarpracht wollte er mit leiser, aufgeregter Stimme wissen: „Wann haben Sie vor, der Dame Ihren Besuch abzustatten?“
    „Ich schätze, daß der morgige Tag dafür ein schöner Tag sein wird.“
    „Ich bin durchaus Ihrer Meinung, Herr Pfiff.“ Und nach einem zufriedenen Seufzer raspelte er Süßholz:
    „Ein wahres Glück, wenn man auf einen so guten Detektiv trifft.“
    „Meisterdetektiv!“ verbesserte ich ernsthaft.
    „Meisterdetektiv!“ nickte er ebenso ernsthaft.
    Was das Foto anbetraf, so hielt er Wort: Noch am gleichen Abend brachte mir ein Taxifahrer (welche Geldverschwendung!) ein gestochen scharfes Schwarzweißfoto des Herrn Vandemer...
    Die Josef-Lanner-Straße bestand, bis auf wenige Ausnahmen, durchweg aus 3- bis 4stöckigen Wohnhäusern. Teils siebzig bis achtzig Jahre alt — aber gepflegt.
    Die Nummer 88 mußte sogar in den letzten Monaten neu verputzt worden sein. Wenn jene Dame wirklich hier wohnte, dann würde ich sie auch finden. Übrigens, am Morgen hatte Herr Vandemer noch einmal angerufen. Ihm sei noch eingefallen, daß sie klein und rundlich war und kupferfarbenes Haar besaß. Komisch, daß ihm das erst heute einfiel.
    Die Nummer 88 war vierstöckig, unten gab es einen Tabakladen und ein Korsettgeschäft.
    Ich entschloß mich für den Tabakladen.
    Der Besitzer las Zeitung, und er machte ganz den Eindruck, als störe ihn mein Kommen. Er schien zweihundert Jahre alt zu sein und seit mindestens hundert Jahren so zu sitzen. Er erinnerte mich an ein Bild, das den alten Komantschen-häuptling Tsche-Tse darstellte.
    „Sie wünschen, bitte?“
    Die Stimme klang nach 35 Jahren. Komisch, was?
    „Ich hätte gern zwei Sechsmarkzigarren!“ verlangte ich und hoffte auf Humor bei dem alten Mann.
    „Aber gern!“ sagte der Häuptling, zog eine schmale Kiste aus dem Regal und klappte den Deckel zurück.
    Bei Jussuv, dem Bartzupfer, wollte er mich verulken?
    „Das sind Zweimarkzigarren!“ sagte ich und ließ ein grimmiges Zähneknirschen hören.
    „Stimmt!“
    „Sie wollen mich wohl ins Hemd beißen, was?“
    „Wenn Sie wissen, daß das Zweimarkzigarren sind, dann wissen Sie auch, daß es keine Sechsmarkzigarren gibt! Jedenfalls nicht in meinem Laden! Wer also will wen ins Hemd beißen, he?“
    „Teufi, Teufi... Also Sie gefallen mir... Ehrlich, wenn ich sie heute nicht kennengelernt hätte, wäre das ein verlorener Tag gewesen.“
    „Das freut mich!“ gab der Zweihundertjährige zurück.
    „Mit anderen Worten: Hätte ich nichts gesagt, wäre ich jetzt für zwölf Mark zu zwei Zweimarkzigarren gekommen?!“
    „So ist es. Sie haben sicher einen interessanten Beruf. Nicht jeder ist fix im Denken. Aber ich will Ihnen noch was zum Thema sagen: Die Umsätze gehen so stark zurück, daß man nehmen muß, was man kriegt. Immer weniger wollen am Qualm sterben.“
    Ich nickte anerkennend. „Mit Ihnen könnte man glatt auf Ausstellungen gehen. Sie sind der tollste Geschäftsmann, der mir in den letzten Jahren begegnet ist.“
    Mit unbewegter Miene fragte er: „Wollen Sie nun Zigarren oder wollen Sie keine.“
    „Sechs für zwei Mark das Stück.“
    Da ich mitzählte, sah ich, daß er mir statt sechs sieben Zigarren in die Tüte steckte. Ich machte ihn auf den Irrtum aufmerksam. Was aber sagte er, dieser... dieser... dieser Zigarrenhändler: „Wofür halten Sie mich? Glauben Sie wirklich, ich könnte nicht bis sechs zählen? Die siebte

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