Glatze mit Sommersprossen
ist das Honorar für Ihre Vorstellung. Sie sind besser als das Fernsehen...“
„Gut“, sagte ich — was sollte ich auch sonst sagen? — , „ich habe noch neun unterhaltsame Brüder. Wenn Sie mir mit einer kleinen Auskunft behilflich sind, werde ich sie fragen, ob sie sich ihre Zigarren in Zukunft nicht auch bei Ihnen kaufen wollen. Ist das ein Angebot?“
„Ich verkaufe nicht an jeden! Aber fragen Sie trotzdem!“
„Ich suche hier im Haus eine nicht übergroße Dame mit kupferfarbenen Haaren und schwarzlackierten Fingernägeln.“ Er warf mir einen geringschätzigen Blick zu.
„Hätte mir denken können, daß Sie an solchen Blödsinn glauben. Zweiter Stock links.“
„Was meinen Sie mit Blödsinn?“
„Ist Kartenlegen vielleicht kein Blödsinn?“
„Ach, die Dame ist Kartenlegerin???“
„Kartenlegerin ja, ob Dame, bezweifle ich.“
„Und wie heißt das liebliche Wesen?“
„An der Tür steht ,L’Henriette’, in Wirklichkeit heißt sie Emmi Mayr ohne E.“
Das faltige Gesicht strahlte mich plötzlich an. Fast herzlich. „Ich weiß, was Sie sind! Tut mit leid, wenn ich Sie ein bißchen auf die Schippe genommen habe.“
„Oh, es war mir ein Vergnügen!“ erwiderte ich. „Was bin ich denn?“
„Polizist! Ja, Sie sind Polizist... Stimmt’s?“
„Donnerlittchen.“
„Ein verkleideter Polizist!"
„Um ein Haar hätten Sie ins Schwarze getroffen.“
„Sie wollen es nur nicht zugeben.“
Ich legte den Finger über die Lippen. Und er fragte flüsternd: „Geht’s gegen die Kartenlegerin?“
„Ich muß mich sputen, bevor die Karten vergriffen sind!“
Ich zwinkerte ihm noch zu, bevor ich mich unsichtbar machte...
Tatsächlich stand auf dem protzigen Messingschild am linken Türpfosten: L’HENRIETTE.
Dagegen klang die Türglocke wie eine Autohupe von 1901. Ich registrierte jenseits der Tür tippelnde Schritte und ein affektiertes Räuspern.
Die Tür könnte auch ein paar Tropfen Öl vertragen.
Ich, der Meisterdetektiv, stellte innerhalb von fünf Sekunden fest, daß sie wirklich kupferfarbenes Haar, schwarzlackierte Fingernägel, mangelnde Körpergröße und zu viele Pfunde besaß.
„Ich habe Sie erwartet!“ girrte sie mit rauchigem Stimmchen, packte mich am Arm und zog mich herein. Ein leichter Geruch nach Zwiebeln und Bohnerwachs schlug mir entgegen, und ich war froh, daß ich Pinsel zu Hause gelassen hatte. Sobald er nämlich mit der Nase in die Nähe von Bohnerwachs kam, begann er zu niesen. Nicht einmal, nicht fünfmal, nicht zehnmal... nein, viel mehr, mindestens... na ja, gezählt habe ich es nicht.
„Ich habe gewußt, daß der erste Kunde heute ein Mann von Format sein würde.“ Ihre taxierenden Augen ließen mich wissen, daß sie genau das Gegenteil meinte.
So eine Sumpfprimel. Schade, daß ich nicht sagen konnte, ich sei der Kammerjäger und käme, weil sich die Nachbarn über ihre weißgepunkteten Flöhe beschwert hätten.
Ich beschloß, die Prozedur abzukürzen. Also verzog ich mein Gesicht gleich nach Erreichen der Kartenlegerstube zu einer traurigen Grimasse und jammerte: „Ich habe mir heute früh die Karten gelegt, und da stand grausliges Zeug drin. Jetzt möchte ich wissen, ob ich mich geirrt habe.“
Ihre Miene verhölzerte sich.
„Was haben Sie sich denn gelegt?“
„Ich würde heute vormittag auf eine mollige Taschendiebin treffen, die einen schlechten Charakter und schwarzlackierte Fingernägel besitzt. Ist das nicht eine beängstigende Vorstellung? Ts-ts-ts-ts...“ schnalzte ich.
„Raus!“
Und noch schriller: „Raus!!! Sie jämmerliches Würmchen!“
Also, „Würmchen“ ging zu weit. Affe, Zebra, Zobel, Tiger, Elefant, ja, sogar Flußpferd hätten mich nicht gestört, aber Würmchen...
„Kinderschreck!“ blies ich ihr ins kugelrunde Gesicht.
„Selber Kinderschreck!!“
„Nieswurz!“
„Fettsack!“
„Hexenweibchen!“
„Widerling!“
„Schmutzwasserkarpfen!“
„Knalltüte, Moosbuckel, Eseltreiber, Triefauge, Erbsenspalter!“
Ich nickte: „Das war ein würdiger Übergang, Speckgriebe, kommen wir zur Sache. Man hat Sie dabei beobachtet, wie Sie einem Herrn die Brieftasche zogen!“
„Noch einmal raus, oder ich rufe auf der Stelle die Polizei!“ Ich zeigte mein charmantestes Lächeln, zog Vandemers Foto aus der Tasche und hielt es ihr unter die gepuderte Nase. „Das Opfer, Frau Mayr!“
Sie zuckte richtig zusammen. Ob über die „Frau Mayr“ oder das Foto, war nicht auszumachen. Schließlich spuckte sie
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