Glaub nicht es sei vorbei
abgeschiedenen Warteraum. »Frank hatte eine Herzrhythmusstörung.«
»Was ist das?«, fragte Rebekka. »Ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Warum sagen Ärzte nie, was sie meinen?«
»Beruhige dich, Rebekka. Er hatte Schmerzen im linken Arm. Herzschlag und Blutdruck waren erhöht — möglicherweise die Folge seiner panischen Angst vor dem, was er für einen Herzinfarkt hielt, aber er hatte auch Schweißausbrüche und ihm ist übel geworden. Sein Elektrokardiogramm weist leichte Unregelmäßigkeiten auf.«
»Hatte er einen Stillstand?«, fragte Rebekka voller Angst.
»Nein. Und in Anbetracht der Umstände war er sehr ruhig. Er hatte keinen zweiten Anfall. Das hat mir Mut gemacht. Wir haben noch nicht alle Laborergebnisse bekommen, aber natürlich muss er die Nacht über hier bleiben.«
»Ich würde auch einen Tobsuchtsanfall kriegen, wenn ihr ihn nicht hier behalten würdet.« Rebekka seufzte. »Frank ist dermaßen stoisch, dass man meinen könnte, er würde mit allem fertig werden, dabei vergisst man leicht, unter welchem Stress er steht.«
»Wenn du Todds Entführung meinst, dieser Stress lässt sich leider nicht vermeiden, Rebekka.«
»Aber ich habe auch noch das Meine dazu beigetragen: zuerst der Unfall, dann die Szene im Restaurant und gestern der Stunt in der Bibliothek.«
»Dieser Stunt, wie du es nennst, hat einem Mädchen das Leben gerettet. Den Unfall hast du nicht herausgefordert, und die Szene bei Dormaine war nur dir selbst peinlich. Ich glaube kaum, dass du Frank damit in finanzielle Kalamitäten gebracht hast. Sei nicht so streng mit dir.«
Das war ja noch längst nicht alles, dachte sie. Da war auch noch Mutter mit ihrer ewigen Trinkerei. Doch das brauchte sie Clay nicht zu sagen, er wusste ohnehin Bescheid. Ganz Sinclair wusste Bescheid.
»Bist du sicher, dass ich ihn heute nicht sehen darf?«
»Er ist viel ruhiger als am Anfang. Er ist auch etwas benommen und wird vermutlich schlafen, wenn man ihn in sein Zimmer bringt.«
»Und ich würde ihn nur stören.«
Clay nahm ihre Hand und hielt sie fest. »Hör zu, Liebling, Frank ist abgesehen von diesem Zwischenfall, der wahrscheinlich kein Herzinfarkt gewesen ist, bei ausgezeichneter Gesundheit. Ich glaube kaum, dass es wirklich einen Grund zur Besorgnis gibt. Wenn er ansonsten keine Beschwerden mehr hat, ist er übermorgen wieder daheim.«
»Gott sei Dank«, atmete Rebekka erleichtert auf.
Erst zehn Minuten später, auf dem Weg zum Auto, wurde ihr bewusst, dass Clay sie »Liebling« genannt hatte. Ihr wurde ganz warm ums Herz.
3
Nachdem Bill Garrett gegangen war, spülte Matilda die Tassen und Untertassen und lief anschließend ins Badezimmer, um sich zu übergeben. Sie ärgerte sich über ihre erbärmliche Angst und deren widerwärtige Auswirkungen. Sie war von sich zutiefst enttäuscht, weil sie sich nach dem Begräbnis im Beisein von Rebekka Ryan um Kopf und Kragen geplappert hatte. Und weil sie zu nervös gewesen war, um in die Drogerie zurückzukehren. Nun konnten keine Rezepte ausgegeben werden, und sie rief Lynn an, um ihr zu sagen, dass sie den Laden um fünf Uhr schließen solle, obwohl Lynn heute eigentlich bis um zehn im Geschäft geblieben wäre. Matilda würde morgen zwei Stunden früher anfangen und alles aufarbeiten. Vielleicht auch drei Stunden. Ein gesunder Schlaf würde sie wieder auf die Beine bringen, beruhigte sie sich. Morgen würde sie wieder ganz die gelassene Geschäftsfrau sein und dieses ganze Drama vergessen haben.
Matilda hatte »alberne Gänse«, wie sie sie nannte, stets verachtet. Ihre Mutter war ein liebes, sanftes Heimchen gewesen, das Angst hatte, nachts allein zu sein, Angst vor Gruselfilmen, vor Menschenmengen, vor Tieren, vor der Geschäftswelt, im Grunde vor allem Leben außerhalb ihrer sicheren vier Wände. Die Vorstellung, wie ihre Mutter zu werden, hatte Matilda noch mehr geängstigt als alles andere; deshalb hatte sie im Alter von zwölf Jahren beschlossen, unabhängig und, stark zu werden, obwohl ihre Mutter verzweifelt versucht hatte, sie zu einem Abziehbild ihrer selbst zu machen. Matilda war jedoch der Führung ihres Vaters gefolgt, und er war immer stolz auf sie gewesen. Sie hatte nicht unbedingt alleine bleiben wollen, aber in all den Jahren hatte sie es als Preis für ihre Eigenständigkeit betrachtet, die sie sich so schwer erkämpft hatte.
Jetzt schien ihr diese Stärke zu entgleiten. Sie war genauso nervös und reizbar wie ihre Mutter, und das deprimierte sie, obwohl sie
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