Glaub nicht es sei vorbei
schmecken. »Du hast dich wieder mal selbst übertroffen, Betty«, sagte Rebekka. »Frank und Mutter wissen gar nicht, was ihnen da entgeht.«
»Die beiden scheinen heute Abend andere Sorgen zu haben«, sagte Betty. »Wir hören, was drinnen gesprochen wird, ob wir wollen oder nicht.«
Rebekka nickte. »Ich weiß. Ich wünschte, ich könnte etwas ändern. «
»Eheleute müssen so was unter sich ausmachen«, sagte Betty weise, als sei sie nicht erst seit zwei, sondern mindestens seit fünfzig Jahren verheiratet.
Nachdem sie ihren Kuchen gegessen hatte, ging Rebekka mit Sean auf ihr Zimmer. Auf der obersten Stufe hörte sie aus dem Zimmer ihrer Mutter A Whiter Shade of Pale klingen. Das Lied jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken, und ohne nachzudenken, riss sie die Tür zum Schlafzimmer auf und stürmte hinein.
Suzanne lag, auf ein Kissen gestützt, in ihrem blauen Seidenmorgenmantel auf ihrem breiten. Himmelbett und rauchte. Ein volles Glas Rotwein stand auf dem Nachtkästchen und daneben, auf dem Fußboden, die Stereoanlage.
»Warum hörst du dir diese Musik an?«, fuhr Rebekka sie an. Suzanne richtete sich wütend auf. »Weil es der Lieblingssong deines Vaters und deines Bruders war«, sagte sie mit schwerer Zunge. »Und wie kannst du es wagen, einfach so hier hereinzuplatzen? Habe ich denn überhaupt keine Privatsphäre mehr?«
Rebekka schaltete die Musik aus. »Rebekka!«, fauchte ihre Mutter, aber diese beachtete sie nicht. Sie öffnete das Kassettendeck. Die Musik kam von einer alten Kassette ihres Vaters, nicht von einer neuen CD. »Was tust du da?«
»Ich wollte nur etwas nachsehen«, sagte Rebekka zerstreut.
»Du wolltest wissen, ob ich eine CD besitze wie die, die du im Auto gefunden hast.« Rebekka sah sie scharf an. »Ich dürfte das eigentlich nicht wissen, aber Bill hat es mir verraten. Er wollte sichergehen, dass ich keine CDs hier habe. Gott, denkt ihr denn beide, ich würde meine eigene Tochter tyrannisieren?«
»Wir hatten nur gedacht, die CD käme aus diesem Haus. Niemand hat dich verdächtigt.«
»Da bin ich nicht so sicher.« Suzanne starrte Rebekka missmutig an. »Hat Frank dich zu mir geschickt?«
»Frank ist ins Büro gefahren.«
»Typisch.«
»Man kann es ihm nicht verübeln. Du bist nicht gerade umgänglich heute Abend.«
»Ich hatte einen schlimmen Tag.«
»Das scheint häufig der Fall zu sein.«
Suzanne sah sie böse an. »Die Spezialistin hat gesprochen und ihre fachkundige Meinung geäußert. Herzlichen Dank.«
»Ach Mutter, könnten wir uns zur Abwechslung mal nicht streiten?« Rebekka setzte sich auf die Bettkante. Ihre Mutter rückte ein wenig von ihr ab. »Was ist?«
Suzanne paffte weiter und starrte trostlos vor sich hin. »Ich vermisse Jonnie.«
»Ich weiß das. Ich vermisse ihn auch, aber deswegen liege ich nicht andauernd im Bett und bringe mich mit Alkohol um den Verstand.«
«Du bist ja so stark, nicht wahr? Genau wie meine Mutter. Ihr zwei mit euren Nerven wie Drahtseilen stellt mich völlig in den Schatten!« Suzanne funkelte sie wütend an. »Aber glaub ja nicht, du könntest mir was vormachen, Mädchen. Du bist genauso besessen von Jonnie wie ich. Gott, glaubst du wirklich, ich merke nicht, dass >Sean< die irische Form von >John< ist? Du hast deinen Hund nach deinem Bruder benannt.«
Das stimmte. Sean, den sie mit Liebe und Zärtlichkeit überschüttete. Sean, der misshandelt worden war und den sie nun stellvertretend für Jonnie beschützen konnte. Der Vorwurf ihrer Mutter hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, aber sie kannte diese Taktik nur zu gut. Ihre Mutter versuchte, von ihren eigenen Problemen abzulenken.
»Mutter, es geht jetzt nicht darum, wie sehr wir Jonnie vermissen ...«
»Und deinen Vater vermisse ich auch«, bohrte Suzanne weiter. »Wenn Patrick noch gelebt hätte, wäre Jonnie niemals entführt worden.«
»Das kann man doch nicht wissen.«
»Ich weiß es aber. Als wir geheiratet haben, hat er mir versprochen, mich nie zu verlassen. Aber er hat's doch getan. Er hat sein Versprechen gebrochen. Und jetzt schau dir an, was passiert ist.«
Rebekka sah ihre Mutter an. Suzanne war ein Kind, dachte sie unglücklich. Ein Kind, das verwöhnt und geliebt worden war und nicht verstellen konnte, wann sein zauberhaftes Leben aus den Fugen geraten war. Was Suzanne jedoch nie gelernt hatte, war, dass die Welt sich nicht immer nur um sie drehte. Suzanne nahm alles persönlich. Sie konnte Rebekkas Schmerz über den Verlust ihres Vaters
Weitere Kostenlose Bücher